Die Begeisterung der deutschen Kunstliebhaber für die belgische Historienmalerei bestimmte den Berliner Bankier und Kunstsammler Wagener nicht nur, je ein großes Bild der gefeierten Maler Édouard de Bièfve und Louis Gallait zu erwerben (Nationalgalerie, Inv.-Nr. W.S. 15 und 58); sie veranlaßte ihn zugleich, sich belgischen Genremalern wie Braekeleer und Verboeckhoven zuzuwenden. Über den Amsterdamer Kunsthändler G. de Vries erwarb er 1851 ein Gesellschaftsstück in der Tradition der Wirtshausraufereien Andriaen Brouwers, »Streit nach der Mahlzeit« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. W.S. 25), mit den über Tisch und Fußboden verstreuten typischen Attributen der Liederlichkeit: Spielkarten, Geschirr mit Essensresten, zerbrochene Pfeife, heruntergefallener Hut. Nach Erhalt des Bildes schrieb Wagener an de Vries: »Der Brakelaer ist wohlbeschaffen angekommen. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühung. Das Bild mag schön sein. Mein Geschmack ist es nicht. Ich kaufte das Bild um den Meister vertreten zu haben« (zit. nach: Die Gründung der Nationalgalerie in Berlin, Der Stifter Wagener und seine Bilder, Köln 2013, S. 88).
Trotzdem bestellte er noch ein zweites Werk, »Die Toilette des Alten« (Inv.-Nr. W.S. 26), diesmal beim Künstler selbst, ebenfalls eine Szene im Stil der flämisch-holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts. Der Originaltitel »La Toilette du mari, ou les cheveux gris« unterstreicht die ironisierende Darstellung eines älteren, eitlen Mannes, der sich von seiner Frau die weißen Haare ausziehen läßt. – Es war Wageners Ehrgeiz, einen Bestand an belgischer Malerei in seiner Sammlung, die alle relevanten Strömungen seiner Zeit vorstellen sollte, zu wissen. | Angelika Wesenberg