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SammlungObjekte aus Tansania, Ruanda und Burundix
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Talisman ("Kriegsblech")

Ethnologisches Museum Objekte aus Tansania, Ruanda und Burundi [III E 4585]
http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus?service=ImageAsset&module=collection&objectId=208938&resolution=superImageResolution#3513369 (Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin / Martin Franken (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Historischer Hauptkatalog: " "upatu wa vita." Kriegsblech von "Sultan" Hassan bin Omari. Gongartiges Musikinstrument aus Messing mit anscheinend sinnlosen Zauberformeln in arabischer Schrift. 33,5 cm Durchmesser. (Hassan b. O. genannt Makunganja, Häuptling einer Niederlassung von Sklavenhändlern am Marudji, wurde am 26.11.95 in Kilwa gehängt.)"

Vorbesitzer
Hassan bin Omari (Makunganya) (bis 1905)

Biografische Fragmente zu Hassan bin Omari (Makunganya):
Hassan bin Omari, auch Makunganya genannt, war einer der einflussreichsten Händler im Südosten des heutigen Tansania. Seine Herkunft lässt sich angeblich auf die Makanjila-Yao in der Nähe des Nyassa-Sees zurückführen, er lebte aber seit seiner frühesten Kindheit in Kilwa Kisiwani, war sehr gut in die muslimische Küstengesellschaft der Swahili integriert und kontrollierte den Sklavenhandel und die Karawanenrouten von Makanjila bis an die Küste. Bereits im Jahr 1888 soll er am Widerstand gegen Vertreter der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft beteiligt gewesen sein. Hassan bin Omari wehrte sich so erfolgreich gegen den Herrschaftsanspruch der Deutschen in Teilen der südlichen Küstenregion, dass die Letzteren keine Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung außerhalb des stark befestigten Bezirksamts Kilwa hatten, dessen Fort Makunganya 1894 mit mehreren tausend Soldaten angegriffen haben soll. Im Jahr 1895 rückten vier Kompagnien der soganannten Kaiserlichen Schutztruppe unter dem Kommando von Oberstleutnant Lothar von Trotha gegen Makunganya sowie seine Anhänger vor mit dem erklärten Ziel, ihn zu "vernichten". Seine Residenz wurde zerstört, und seine Besitztümer, darunter auch Korrespondenzen, erbeutet und Makunganya schließlich gefangen genommen. Er wurde im November 1895 von deutschen Truppen (darunter der "Sammler" des Objekts Lieutnant Hans Glauning) nach Kilwa gebracht, wo er zusammen mit einer Gruppe von Anhängern und Amtsträgern vor ein "Militärgericht" gestellt, verurteilt und gehängt wurde. Aber nicht nur sein unmittelbares Umfeld, sondern auch die in seinem Einflussbereich lebende Bevölkerung wurde "bestraft", indem ganze Dörfer niedergebrannt wurden. Heute erinnert noch ein Gedenkstein in Kilwa an Makunganya, der am Ort seiner Hinrichtung in der nachkolonialen Ära aufgestellt wurde.

Aneignungskontext:
Hans Glauning, der zu diesem Zeitpunkt Lieutnant der sogenannten Kaiserlichen Schutztruppe war, stand Makunganya als Feind gegenüber und schenkte den erbeuteten „Gong“ im Jahre 1896 dem Königlichen Museum für Völkerkunde. Er übermittelte mit großer Wahrscheinlichkeit die Information an die Berliner Ethnologen, dass es sich um ein „upatu wa vita“ (Kiswahili für "Gong des Krieges") handelt. Es war also bekannt, dass das Objekt mit dem Kriegsgeschehen in Verbindung stand. Inwiefern Makunganya selbst oder andere Personen vor Ort noch Auskunft über das Objekt gaben, ist nicht bekannt, ebenso wie die genaueren Umstände der Aneignung und der Begegnung Glaunings mit Makunganya. Der vermeintliche "Gong" könnte unter den in den Höhlen konfiszierten Objekten gewesen, Makungaya während seiner Verhaftung abgenommen worden oder im Verlauf seiner Überführung nach Kilwa durch die Achte Kompanie in die Hände von Glauning geraten sein. Dass Glauning das Objekt als explizites Eigentum bzw. Besitz des Makunganya auswies, könnte auch dazu gedient haben, den Trophäencharakter dieses Stückes und damit seinen Wert zu unterstreichen – gerade auch im Hinblick auf die Präsentation des vermeintlichen „Gongs“ in der Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1896 in Berlin Treptow . Gewiss ist aber, dass das Objekt während des Krieges gegen Hassan bin Omari, seine Amtsträger und Unterstützer und die Bevölkerung erbeutet wurde – ein definitiver Beleg dafür, dass es auch tatsächlich ihm gehörte, steht noch aus.

Objektdeutungen:
Die Funktion und Bedeutung des Objekts von Makunganya war zu diesem Zeitpunkt unbekannt, eine Transkription und Übersetzung der Inschrift wurde, da man von „sinnlosen Zauberformeln“ ausging, höchstwahrscheinlich nicht veranlasst, und so wurde es ebenfalls über Jahrzehnte in den Depots des Museums „vergessen“ – als man das Stück in die Museumsdatenbank eintrug, kannte man den einst berühmten „Sultan“ ebenfalls nicht mehr, so dass als Herkunft nur „Ostafrika“ angegeben wurde. Dabei handelt es sich bei dem Stück nach Angaben des Mwalimu Hakim Saleh aus Zansibar Town um einen "talasimu" (Kiswahili: Talisman), der vermutlich zum Schutz ("kinga") vor allen möglichen Problemen und auch vor Geistern ("majini") diente und wohl auch aufgehängt werden konnte. Zwar könne man ähnliche tellerförmige Objekte aus einer Kupferlegierung ("shaba") als Gong verwenden, dieses spezifische mit Schrift allerdings nicht. Vielmehr könne es auch als Medizin (dawa), etwa bei Krankheit, gebraucht werden – bereits das Material sei eigentlich eine Medizin; dann könne es für kombe – das „Trinken“ von Koranversen, indem man sie mit Safran schreibt und in Wasser auflöst – verwendet werden, denn die darauf geschriebenen Wörter hätten dieselbe heilende Wirkung wie die in Safran geschriebenen. Erst im Rahmen einer kurzen Forschungsreise tansanischer Wissenschaftler im September 2016 transkribierten und übersetzten lokale Experten für arabische Handschriften, islamisches Schrifttum und Religion in Kilwa Kiwinje und Kilwa Masoko die Inschrift auf dem tellerförmigen Objekt teilweise. Es handelt sich dabei um Sure 54 (al-Qamar, der Mond), Verse 45 und 46, die in deutscher Übersetzung folgendermaßen lauten: (45) „(Doch) die große Masse wird geschlagen werden, und sie werden den Rücken kehren (und fliehen). (46) Die Stunde (des Gerichts) ist die Zeit, die ihnen gesetzt ist. Und die Stunde (des Gerichts) ist noch unheilvoller und bitterer (oder: ist überaus unheilvoll und bitter).“ Der Historiker Oswald Masebo setzt diese Verse in Beziehung mit dem Kampf Makunganyas gegen die Deutschen. Ihm zufolge handelt es sich dabei um eine Kernaussage des Propheten Mohammed, die derselbe zur Inspiration seiner Anhänger in der frühen Phase der Verbreitung der islamischen Religion verwendete, wenn sich diese mit Nicht-Gläubigen konfrontiert sahen, die sich dem Islam verweigerten. Dieser Vers sollte Mohammeds Anhängern Vertrauen schenken, dass die Muslime bei der Verbreitung ihres Glaubens siegreich sein würden. Makunganya war gläubiger Muslim und verwendete die Lehren des Mohammed und des Koran möglicherweise in seinem Kampf gegen die deutsche Kolonialarmee zum Schutz seiner Interessen- und Machtsphäre. Sein Widerstand gegen die Deutschen, so vermutet Masebo, könnte tief in der Religion des Islam begründet sein.

Quellen:
Baumann, Oskar (1895): „An den Vorstand des Vereins für Erdkunde in Leipzig“, 17.12.1895, in: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Leipzig 1895, S. 12–13.
José A. S. Castcro (2007): Utenzi, War Poems, and the German conquest of East Africa. Trenton, New Jersey: African World Press.
Gwassa, Gilbert C.K. (2005): The Outbreak and Development of the Majji-Maji-War 1905–1907. Köln: Rüdiger Köppe Verlag.
Iliffe, John (1979): A Modern History of Tanganyika. Cambridge: Cambridge University Press.
Ivanov, Paola und Kristin Weber-Sinn (2018): Sammelwut und Gewalt: Objekte aus kolonialen Kriegen im Depot des Ethnologischen Museums, Berlin. In: Lili Reyels, Ivanov, Weber-Sinn (Hg.): Objekte aus den Kolonialkriegen im Ethnologischen Museum, Berlin. Ein tansanisch-deutscher Dialog. Berlin, Reimer, S. 66-149.
Masebo, Oswald (2018): Objects of Resistance against German Colonialism in Southeast Tanzania. In: Lili Reyels, Ivanov, Weber-Sinn (Hg.): Objekte aus den Kolonialkriegen im Ethnologischen Museum, Berlin. Ein tansanisch-deutscher Dialog. Berlin, Reimer, S. 222-265.
Rudi Paret (1966): Der Koran. Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer.

Deutsches Kolonialblatt 1894: Kämpfe bei Kilwa, S. 572–574.
Deutsches Kolonialblatt 1895: Über die Raubzüge des Häuptlings Machemba.
Deutsches Kolonialblatt 1896: Über seine glücklich beendete Expedition gegen Hassan bin Omari und Matschemba, S. 99–101.
Deutsches Kolonialblatt 1896: Über den Verlauf der Expedition gegen Hassan bin Omari.
Deutsches Kolonialblatt 1896: Über die Lage im Süden des Schutzgebietes.

Bundesarchiv 1001/4812
Bundesarchiv 1001/287
Bundesarchiv 1001/747
SMB-PK, EM, I/MV 715, E 254/1896

Vita na Hassan bin Omari („Der Kampf mit Hassan bin Omar“) von Mwalimu Mbaraka bin Shomari (Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen [MSOS]. Afrikanische Studien 1916, S. 135–148) und Shairi la Makunganya („Das Makunganya-Lied“) von Mwalimu Mzee bin Ali bin Kidogo bin Il-Qadiri, verfasst nach dem Sieg über Hassan bin Omari (MSOS. Afrikanische Studien 1898, S. 86–114)

Interview mit Hakim Saleh geführt von Hanna Nieber im August 2015 in Vikokotoni/ Zanzibar Town.

Material/Technik

Kupferlegierung (Neusilber?)

Maße

Höhe x Breite x Tiefe: 4,5 x 33,5 x 34 cm; Gewicht: 0,7 kg

Literatur

  • (N.N.) (1895): Über die Raubzüge des Häuptlings Machemba. in Deutsches Kolonialblatt: Leipzig
  • (N.N.) (1896): Über den Verlauf der Expedition gegen Hassan bin Omari. in: Deutsches Kolonialblatt, Leipzig
  • (N.N.) (1896): Über die Lage im Süden des Schutzgebietes. in: Deutsches Kolonialblatt, Leipzig
  • (N.N.) (1896): Über seine glücklich beendete Expedition gegen Hassan bin Omari und Matschemba. in: Deutsches Kolonialblatt, Leipzig, S. 99–101
  • Freiherrn von Eberstein (1894): Aus Deutsch-Ostafrika. Kämpfe bei Kilwa. in Deutsches Kolonialblatt: Leipzig, S. 572–574
  • Gwassa, Gilbert C.K. (2005): The Outbreak and Development of the Majji-Maji-War 1905–1907. Köln
  • Iliffe, John (1979): A Modern History of Tanganyika. Cambridge
  • José A. S. Castcro (2007): Utenzi, War Poems, and the German conquest of East Africa. Trenton, New Jersey
  • Lili Reyels, Ivanov, Weber-Sinn (2018): Objekte aus den Kolonialkriegen im Ethnologischen Museum, Berlin. Ein tansanisch-deutscher Dialog. Berlin
  • Rudi Paret (1966): Der Koran. Stuttgart
Ethnologisches Museum

Objekt aus: Ethnologisches Museum

Das aus der königlichen Kunstkammer hervorgegangene Ethnologische Museum gehört seit seiner Gründung 1873 international zu den größten und...

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