Im Juli 1908 berichtete Rohlfs in einem Brief an Karl Ernst Osthaus nach Hagen von seinem Berlin-Aufenthalt: „Leider war die assyrische Abteilung, worauf ich es besonders abgesehen hatte, nicht zugänglich. Die aegyptische aber hat uns lange festgehalten“ (zit. nach Christian Rohlfs. 1849–1938, Ausst.-Kat., München, 1996, S. 275). Rohlfs besuchte auch die Nationalgalerie, durch die ihn sein Freund und Förderer Walter Kaesbach führte. Hier beeindruckten ihn vor allem die Bilder Hans von Marées’. Er endete seinen Brief an Osthaus mit dem fragenden Ausruf: „[…] wo bleibt die Zeit zum Sticken?“ Gleichwohl entstand noch 1908 in seinem Hagener Atelier der mit farbigen Wollfäden in langen Kelimstichen gefertigte Teppich „Junges Paar“: Vor nachtblauem Himmel führt ein unbekleideter Mann eine junge Frau mit langem blondem Haar, die ein grünliches Tuch in der Hand hält – wohin auch immer. 1909 bat Rohlfs den Assistenten des Osthaus-Museums in Hagen, einige der Teppiche zum Verkauf nach Weimar zu senden, darunter „1. Das vorsündflutliche Paar“ (Brief an August Kuth, 15.10.1909, Osthaus-Archiv, Hagen). Die begleitende Skizze beweist, dass damit der vorliegende Teppich gemeint war. Es bleibt ungewiss, ob Rohlfs bei der Bezeichnung an Adam und Eva dachte oder vielmehr an ein Paar des Mythos oder des Altertums und an die Eindrücke, die er im Sommer in Berlin empfangen hatte. Die wenigen von ihm erhaltenen Stickereien zeigen mythologische und skurrile Motive; mit der ungewöhnlichen Kunsttechnik beschäftigte er sich intensiv von 1908 bis 1910. | Angelika Wesenberg
