Figürliche Reliquiare aus dem mittelalterlichen Europa werden als aktiv kommunizierende Objekte verstanden. Sie benutzen ihre menschliche Form, um mit dem Publikum zu »sprechen«. Das doppelfigurige Reliquiar der weiblichen Heiligen ist ein besonders eindrückliches Beispiel. Es ist bedeutend größer als ältere mittelrheinische Beispiele und zeigt die Heilige als eine Halbfigur, beinahe lebensgroß. Ursprünglich war die Figur bemalt. Vielleicht wurde die Figur bei Prozessionen benutzt, wo sie von allen Seiten zu sehen gewesen wäre, oder sie war auf einer Kirchengalerie platziert, von wo aus sie auf die Gemeinde im mittleren Kirchenschiff und auf die Leute im zweigeschossigen Seitenschiff blicken konnte (Abb. 20). Reliquiare wie dieses waren auch schützende Umhüllungen für die Reliquien, die sie in sich bargen, und verwehrten den Zugang zu ihren kostbaren und kraftvollen Inhalten. Die Reliquien dieser Figur waren wohl in kostbare Seidenstoffe gewickelt und in der Aushöhlung im Bauch platziert, die mit einem Dreipassmaßwerk verschlossen war. (Andrew Sears 2017)
Entstehungsort stilistisch: Rheinland
Entstehungsort stilistisch: Köln
de