Das Relief stellt das bei allen Evangelisten geschilderte Verhör und die Verurteilung Christi vor Pilatus dar. Vor einem gemauerten Torbogen, der den Blick auf die Türme einer Stadtkulisse freigibt, thront rechts unter einem Baldachin Pilatus. Von links, in Begleitung von gerüsteten Soldaten, wird Jesus mit gebundenen Händen seinem Richter vorgeführt. Von rechts lenken zwei in bürgerlicher Tracht gekleidete Repoussoirfiguren den Blick des Betrachters in das Geschehen ein.
Die Komposition geht auf eine Darstellung aus der Passion Christi zurück, die der niederländische Maler und Kupferstecher Hendrck Goltzius (1558-1617) 1596 entworfen hat. Die von ihm in der Manier von Albrecht Dürer (1471-1528) und Lucas von Leyden (1494-1533) gestochene Serie ging 1599 in Druck, welche dem Erzbischof von Mailand, Federico Borromeo (1564-1631), gewidmet wurde. Die insgesamt 12 Kupferstiche dienten als Vorlage für den so genannten Silberaltar in der Marienkirche zu Rügenwalde (ponisch: Darlowo) in Pommern. Dieser war von Herzog Philipp II. (1573-1618) in Augsburg bestellt und schließlich von der Herzogin-Witwe nach Rügenwalde gebracht worden. Der 3 m hohe Renaissance-Altar war 1616 vollendet und enthielt insgesamt 37 in Silber getriebene Flachreliefs von Johannes Körver (+ 1607) aus Braunschweig und dem Augsburger Silberschmid Zacharias Lencker (+ 1612) mit Themen aus dem Neuen Testament, von denen 12 aus der Passion nach Stichen von Hendrick Goltzius stammen. Der Silberaltar wurde 1944 im Tresor der Kreissparkasse evakuiert, doch zum Ende des 2. Weltkrieges geplündert. Bislang sind acht der Reliefs wieder aufgetaucht, die im Museum in Stolp (polnisch: Slupsk) ausgestellt sind.
Das Berliner Relief ist eine spätere Reduktion in Bronze, die vermutlich am Anfang des 17. Jahrhunderts in Süddeutschland entstand.
Hans-Ulrich Kessler
Entstehungsort stilistisch: Süddeutschland
de