Das auffällig breit und flach proportionierte ornamentale Kapitell stand einst auf einer Säule. Vor dem Kapitellkörper schwingen jeweils in der Mitte der vier Seiten zusammengebundene Ranken zu den Ecken, wo sie wiederum gebündelt werden.
Ähnlich proportionierte Kapitelle sind im 12. und 13. Jahrhundert, überhaupt im Mittelalter selten. In den Langhausarkaden einer Kirche, wo sich das Berliner Rankenkapitell aufgrund seiner stattlichen Größe befunden haben könnte, herrschen nicht nur im sächsisch-thüringischen Raum das hohe Würfel- und später das Kelchblockkapitell vor. Vorstellbar ist allerdings die Herkunft aus einer Krypta oder einer niedrigen Kapelle, wo aufgrund der flachen Gewölbe und geringeren Jochabstände gedrückte Dimensionen gelegentlich auftauchen (Krypta der Prämonstratenser-Klosterkirche Jerichow, spätes 12. Jahrhundert; Kapelle unter der Empore des südlichen Querhausarms der Benediktinerinnen-Klosterkirche Gernrode, Mitte 12. Jahrhundert). Auch der profane Bereich, etwa der Saal in einer Burg, kommt in Frage.
Motivische Parallelen und die auch andernorts feststellbare Tendenz zu rankendominierter Ornamentik bieten einige Anhaltspunkte. Die Chorumgangskapitelle im Magdeburger Dom (um 1210/20) stellen einen reichen Fundus pflanzlich-ornamentaler Kompositionen, von Einflechtungsmöglichkeiten von Figuren, von Mischwesen aller Art und besonders von kühnen Rankenverläufen zur Verfügung, aus dem sich der Bildhauer des Berliner Kapitells bedient zu haben scheint.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Sachsen
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