Inmitten seiner unter Bäumen grasenden und gelagerten Schafherde ruht sich ein junger Hirt aus, indem er sich auf seinen Stab stützt. In seinem Rücken hängt eine kleines Trinkgefäß, dessen er auf langen Wanderungen bedarf. Ein friedvolles und glückhaftes Idyll. Fast hat es den Anschein, als wäre die Zeit stehen geblieben, denn nichts geschieht. Doch es könnte die Ruhe vor einem Sturm sein: Wie besorgt blickt der Hirt zurück auf seine geflochtene Strohhütte, deren oben zusammengebundene Enden über den Bildrand hinaus zu flattern beginnen. Drei Tiere stehen reglos mit emporgerecktem Hals, aufmerksam die Ohren aufrichtend. Sie lauschen und wittern. Auch die gelagerten Schafe wenden ihre Köpfe zurück und blicken in Baumkronen, deren Rauschen sie mit angelegten Ohren vernehmen. Ein kleineres, nur linear auf dem Hintergrund angedeutetes Bäumchen, beginnt sich mit schwächlicher Krone zu biegen. Kräftiger ist der Baum rechts neben dem Hirten. In seinen weit ausladenden Ästen hat sich ein Vogel niedergelassen. Er erhebt seinen Kopf und wendet ihn zurück, neugierig über den Bildrand hinausäugend. Mensch und Tier reagieren gleichermaßen. Die unendliche Ruhe, die das Bild vordergründig auszustrahlen scheint, ist nicht ungestört. Gern würde man die verlorene Bildhälfte rechts weiterbetrachten. Doch nur noch ein Rest der stets in der Deckelmitte angebrachten Inschrifttafel blieb erhalten. Sie hat einen gezackten Rahmen mit den eingemeißelten Anfangsbuchstaben eines vierzeiligen Textes. Meist wird Name, Alter und Familienstand der Verstorbenen genannt. Oft folgt ein Segenswunsch. Manchmal erwähnt sich auch der Hinterbliebene, der für das Grab sorgte, gelegentlich mit Angabe des Preises. Sogar deftige Flüche gegen Grabschänder sind bekannt geworden.
(Theun-Mathias Schmidt)
Entstehungsort stilistisch: Rom
Erwerbungsort: Rom
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