In verklärender Sehnsucht nach dem Land seines künstlerischen Aufbruchs beschwor Ludwig Richter während seiner Zeit als Zeichenlehrer an der Porzellanmanufaktur Meißen malerisch immer wieder die Erinnerung an seinen Italienaufenthalt von 1823 bis 1826. Jahre später malte er nach den italienischen Skizzen den »Waldbrunnen bei Ariccia«. Die Skizzen dienten offensichtlich mehr der Erinnerung an das dortige Leben als an die Natur. Die dargestellten Personen, die auf dem besonnten Weg vor dem Brunnen wie auf einer Bühne agieren, verkörpern das italienische Landvolk jener Tage: der Jäger, die junge, ein Tamburin schlagende Frau auf dem Pferd, die Mutter mit dem Wickelkind, das Flöte blasende Mädchen auf dem mit Körben beladenen Esel, ein Bettelmönch – Ludwig Richter könnte bei seinem Bild an die Rückkehr von einem Markttag gedacht haben.
1834 konnte Richter aufgrund der schweren Erkrankung seiner Frau eine zweite Italienreise nicht antreten. Im September desselben Jahres jedoch unternahm er eine Reise nach Böhmen, die – nach seinem eigenen Bericht – ihm plötzlich die Augen für die Schönheiten der heimatlichen Landschaft öffnete und ihn von der »krankhaften« Sehnsucht nach Italien befreite (Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, Frankfurt am Main 1890, 7. Aufl., S. 316). Eine Frucht dieser Reise ist die ähnliche Szene in böhmischer Landschaft »Die Rast der Pilger« von 1839 (Kunsthalle Bremen). Diese Umgestaltung des Brunnen-Motivs aber zeigt auch, was Ludwig Richter an diesem faszinierte. Den poetischen Gehalt der Bilder machen wichtige Metaphern der Zeit aus: das Wandern und die Rast, Gefährdung und Geborgenheit, das Ferne und das Nahe – letzteres wurde in Richters spätromantischer Malerei auch zur traulichen Nähe. Das wiederholt dargestellte Motiv der Rast am Brunnen ist zugleich ein Gegenstück zum mehrfach variierten Sujet der Überfahrt (vgl. zum Beispiel die Fassung in der Galerie Neue Meister, Dresden). Bei der Rast sind die so unterschiedlichen Menschen von freundlicher Natur bergend umfangen. Die schwärmerische Darstellung des Brunnens bei Ariccia und jene der böhmischen Pilger sind verdichtet zu einem Idealbild menschlichen Lebens. | Angelika Wesenberg
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