Der Unterschied gegenüber dem »Judenfriedhof in Prag« (um 1852/1853, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A III 511) könnte nicht größer sein; doch bei Menzel entstehen vielerlei Formen des ›non finito‹ nebeneinander. Als hier die Arbeit abgebrochen wurde, entstand ein entschiedener Dualismus. Dem detaillierten, körperhaften, nach räumlichen Distanzen abgestuften Vordergrund folgt übergangslos eine Zone der Unbestimmtheit. Auf einem mit Ocker vorbereiteten Grund ist ein schwerer grauer Schemen gelegt, der sich als Altar nur durch seinen Kontext identifizieren läßt. Ähnlich beginnt Menzel viele seiner Bleistiftzeichnungen mit gewischten Schattenzonen, die erst im zweiten Gang durch Striche konkretisiert werden. Diesen entsprechen hier die winzigen Lichtpunkte der Altarkerzen, aber auch der blau aufsteigende Rauch gleich hinter der Altarschranke, dessen pastose Dichte im Vergleich zur Immaterialität des Graus den Unterschied von Stoff und Erscheinung, von Gegenwärtigkeit und Vision erst erkennbar macht. Die barocken Architekturen Süddeutschlands und Österreichs, Kirchen weit mehr als Schlösser und die Innenräume von Kirchen deutlich mehr als ihr Äußeres, haben Menzels Interesse jahrzehntelang immer wieder auf sich gezogen. Dieses Bild – wie stets nachträglich aus der Erinnerung niedergeschrieben – ist wohl eines der ersten Zeugnisse dafür. | Claude Keisch
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