Tanz, Frühling, Mädchen sind Grundmotive nicht nur in dem symbolistisch-lyrischen Werk Ludwig von Hofmanns, es sind Symbole des Aufbruchs im neuen Jahrhundert. Das vierte Heft der berühmten Zeitschrift »Pan« publizierte im Jahr 1898 – mit einem Mädchenreigen Hofmanns illustriert – die »Lieder der Mädchen« von Rainer Maria Rilke. 1905 veröffentlichte Hofmann unter dem Titel »Tänze« eine Folge von zwölf Lithographien mit einem Vorwort Hugo von Hofmannsthals im Inselverlag. Auch in seinen verschiedenen Wandbildern variierte Hofmann diese Grundelemente: Das vorliegende Werk wiederholt in kleinerem Format das Bild »Tanzende mit Schleier« aus dem sechsteiligen Gemäldezyklus für die Museumshalle auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden 1906 (heute Klassik Stiftung Weimar, Kunstsammlungen). Die Arbeit an Wandbildern wirkte auf die Tafelbilder zurück. Auch sie wurden heller und flächenhafter; das Vorbild des Franzosen Puvis de Chavannes wirkte sich aus.
Das Bild »Frühlingsreigen« wird von einer Anzahl stilisierter weiblicher Gestalten bestimmt. Der Ausdruck von Jugend und Aufbruch vermittelt sich über die Gebärden. Die heftigen Bewegungen der vier Frauen der Mittelgruppe in ihren weißen, lockeren Gewändern und mit schwingenden Tüchern in Händen entsprechen dem modernen Ausdruckstanz der Zeit. Diese Gruppe kann zugleich als ›Zug ins Leben‹ verstanden werden. Die flankierenden großen Frauengestalten rechts und links, das sich zur Blume niederbeugende Mädchen im roten Kleid, die sich enthüllende junge Frau und die sich dem Licht Entgegenstreckende, verleihen der Bildkomposition etwas feierlich Bedeutsames, und repräsentieren zugleich drei Stadien der Entwicklung. Die Berge im Hintergrund sind nicht minder stilisiert, und sie geben den Figuren Halt. | Angelika Wesenberg
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