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Nationalgalerie Alte Nationalgalerie [A I 279]
https://id.smb.museum/digital-asset/4568249 (Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Klaus Göken (CC BY-NC-SA)
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Das Gastmahl (nach Plato), zweite Fassung

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Beschreibung

Daß die »Classizität«, die ihm »mit der Muttermilch eingetränkt« worden war, »auf menschlich Wahres und Großes gerichtet« sei, habe sein Leben »zu einem hoffnungslosen Kampfe gegen meine Zeit« gestaltet, meinte Feuerbach (Anselm Feuerbach, Vermächtnis, hrsg. von D. Kupper, Berlin 1992, S. 24). Seine Kompositionen um Hafis, Dante, Ariost sind Wunschbilder einer geistigen Kultur, die sich mit der Menschheit in Einklang befindet. »Das Gastmahl« inszeniert die Fragwürdigkeit des Ideals.
Den Gegenstand – einem philosophischen Dialog von Plato entnommen – hat Henriette Feuerbach so zusammengefaßt: »Den Sieg des preisgekrönten Tragödiendichters Agathon zu feiern, sind in seinem Hause die Freunde versammelt, unter ihnen Socrates [sic!], Aristophanes, Eryximachos, Phädros und Glaukon [sic!]. Während sie sich nach dem Mahl in sinnvollen und heiteren Wechselreden ergehen über die Natur des mächtigsten und herrlichsten der Götter, des Eros, erscheint, von nächtlichem Feste heimkehrend, in bacchischem Geleite der wein- und lustberauschte Alkibiades. Er kommt, den Dichter zu bekränzen, welcher ihm freundlichen Willkomm bietet« (zit. nach: Um Anselm Feuerbachs Gastmahl, Ausst.-Kat., Berlin 1992, S. 7). Nach dem gloriosen Auftritt des jungen Feldherrn wird das Thema des Abends, die Liebe, auch auf das Verhältnis zwischen Alkibiades und seinem Lehrer Sokrates bezogen und dessen Person schließlich als Verkörperung des geistigen Eros gefeiert.
Die überstreckte Bildfläche wird von einer bühnenhaften Architektur gegliedert. Rechts gruppieren sich die Philosophen – in ihrer Mitte, unauffällig, das abgewandte verschattete Profil des Sokrates im Gespräch mit dem Arzt Eryximachos. Den Liegenden hat man früh als Aristophanes, den in der Mitte Sitzenden als Plato selbst identifiziert. Den Denkern in ihren schweren Gewändern tritt die halbnackte, festlich berauschte Jugend entgegen, Nacht und Fackelschein dringen in das morgengraue Gemach ein. Zwischen den Gegensätzen vermag der edel drapierte Hausherr mit dem zögernd vorgestreckten Begrüßungspokal nicht zu vermitteln.
In einem Stich von Pietro Testa (1648) war der Stoff vorgeprägt. Die vielleicht seit 1856 erwogene Komposition wurde seit 1860 vorbereitet, 1865 war der Entwurf zur ersten Fassung fertig. Von 1867 bis 1869 malte Feuerbach, was ihm »riesengroß in der Phantasie erwachsen« war, »als eine monumentale Tat, welche vielleicht mehr, wie jedes andere Bild, mein künstlerisches Ich zu meinem eigenen und zum Bewußtsein der Welt bringen muß« (J. Allgeyer, Anselm Feuerbach. Zweite Auflage der Originalbriefe, Bd. 2, Berlin 1904, S. 478). Mit gespaltenem Erfolg in München ausgestellt, ging es dennoch sofort in Privatbesitz über (heute in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe). Zwei Jahre später wurde die zweite Fassung in Angriff genommen und nach Feuerbachs Niederlassung in Wien dort im wesentlichen bis Ende 1873 vollendet. Während die figürlichen Teile weitestgehend beibehalten wurden, war jetzt die Absicht, im Sinne einer neuen Kultur »Geist und Phantasie laufen [zu] lassen in Bereicherungen und Pracht« bis zu echten Vergoldungen hin, Gesimse, Reliefs, Kapitelle auszuschmücken, Leerstellen durch Blumenkränze zu füllen und dabei die Farbigkeit zu steigern, wärmer und bunter zu halten (Anselm Feuerbachs Briefe an seine Mutter, Bd. 2, Berlin 1911, S. 2545). Das Wichtigste: ein illusionistisch gemalter Rahmen kam hinzu.
Lange stand die zweite Fassung im Schatten der ersten: An dieser gemessen, galt ihre Pracht als ein Zugeständnis an den Geschmack der Gründerzeit. Doch die Bereicherungen stehen alle sinnvoll unter dem Zeichen des Dionysos, dessen Lebensmacht Nietzsche um dieselbe Zeit in der »Geburt der Tragödie« beschwor. Auf den Gott und auf den Opferkult spielen die Theatermasken, die Bukranien, die Frucht- und Blumenkränze an; die Muscheln sind erotische Symbole; die Figur des Alkibiades ist antiken Gestaltungen des trunkenen Dionysos, die mit Weinlaubkränzen und Leopardenfellen geschmückten Frauen sind den Mänaden nachempfunden. Zugleich ist Alkibiades-Dionysos eine Identifikationsfigur Feuerbachs und jenes Traumes von Vitalität, den auch die parallel vollendete »Amazonenschlacht« (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg) verkörpert. Doch der theatralische Triumph des Lebens vollzieht sich in einer trügerischen Bildwelt. Teile des prächtigen gemalten Rahmens überschneiden die Komposition; doch wenn umgekehrt die über der Bodenvase hängende Draperie auf den Rahmen übergreift, wird die Abgrenzung des Bildinneren und damit die Logik des Bildes fraglich. Der Künstler als Gaukler: Auch diese moderne Vorstellung entwickelte Nietzsche, und mit ihr verklärte Feuerbach die Gespaltenheit seiner sozialen Rolle. Kündigte er nicht in einem Atemzug an, »daß das große Bild eine Revolution hervorrufen wird und ich ein reicher Mann werde« (Anselm Feuerbachs Briefe an seine Mutter, Bd. 2, Berlin 1911, S. 263)? | Claude Keisch

Material/Technik

Öl auf Leinwand

Maße

Höhe x Breite: 400 x 750 cm; Rahmenmaß: 414 x 764 x 15 cm

Links/Dokumente

Nationalgalerie

Objekt aus: Nationalgalerie

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