Wer vor diesem Gemälde »nicht heiter gestimmt wird, der mache sein Testament und lege sich hin. Alle Leiden und Freuden der Schulstube, alle ihre kleinen Leidenschaften und Ränke, Neckereien und Bosheiten, ihr Lieben und Hassen – sind in diesem Bilde mit einer Wahrheit, Liebe, mit einem Verständnisse und einer Ganzheit dargestellt, die wahrhaft unübertrefflich genannt werden muß«, urteilte der Zeitgenosse Eduard Melly (in: Kunstblatt, Beilage zu Sonntags-Blätter, 2. Jg., 1843, Nr. 20, S. 475). Seit den 1840er Jahren richtete sich Ferdinand Georg Waldmüllers Interesse zunehmend auf realistisch geschilderte Genreszenen. Mitunter suchte er Anregungen im Theater. So strömt in dieser figurenreichen Komposition eine Schar von fast dreißig Kindern nach Unterrichtsschluß aus dem Schulgebäude an eine imaginäre Bühnenrampe. Am engen dunklen Tor steht der zur Ruhe mahnende Dorfschulmeister, dem die Kinder zum Abschied die Hand küssen müssen. In den hinteren Reihen herrscht dichtes Gedränge. Links schaut ein alter Mann dem bewegten Treiben gütig lächelnd zu. Unterschiedlichste Affekte, von Aggression bis Sanftmut, Ausgelassenheit bis Enttäuschung führt der Künstler vor und bietet dem Betrachter reichlich Möglichkeiten zur inneren Anteilnahme. In der differenzierten Charakterisierung der einzelnen Persönlichkeiten, im spannungsreichen Farbklang und der überdeutlichen Nahsicht auf jedes Detail zeigt sich Waldmüllers Meisterschaft. Von dem erfolgreichen Werk schuf er mehrere zum Teil variierende Fassungen (Puschkin-Museum Moskau; Privatbesitz). | Birgit Verwiebe
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