Im Jahre 1922 zeigte Ludwig Justi in der Nationalgalerie eine so aufwendig wie liebevoll vorbereitete Ausstellung mit Werken des von ihm hochverehrten Hans Thoma. Die meisten der Bilder stammten aus Privatbesitz, und einige konnte Justi im Umfeld der Ausstellung noch für die Nationalgalerie erwerben. Diese kleine, kostbare Holztafel hat er sogar gegen drei Werke der Nationalgalerie ertauscht.
Den Esel fest am Strick haltend, führt ein Engel mit rosa schimmerndem Kleid und Flügeln die heilige Familie durch die Nacht. Das zarte Rot korrespondiert mit dem blauen Gewand der groß auf dem Esel thronenden Maria mit dem Kind. Joseph, mit dem Knaben schäkernd, befindet sich zwischen den beiden. Das so entstandene kompositionelle Dreieck veranschaulicht die Bewegung der kleinen Gruppe, die sich von einem grünen Hintergrund abhebt: »Boden, felsige Wand und unheimlich dunkler Märchenwald – ein schimmernd-flirrendes Grün, nächtliche Unbestimmtheit der Form. Der keusche Zauber des heiligen Märchens ist in diesem bescheidenen Bildchen, lebendig reizvolle Form und glühend prächtige Farbe, wie in den kleinen Wundergemälden Altdorfers« (L. Justi, Hans Thoma, Hundert Gemälde aus deutschem Privatbesitz, Tafelwerk, Berlin 1922, Text zu Tafel 96). | Angelika Wesenberg
de