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Nationalgalerie Alte Nationalgalerie [A I 744]
https://id.smb.museum/digital-asset/4995365 (Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Das Balkonzimmer

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Beschreibung

»Das Balkonzimmer« leitet die Reihe der Innenraumlandschaften ein, die Menzel nur bis etwa 1848 beschäftigten. Seit es zwei Jahre vor seinem Tod für die Nationalgalerie angekauft wurde, gilt es als Inbegriff der Kunst des jungen Menzel. Es stand im Zentrum einer Umwertung des Künstlers, die dem sogenannten Maler Friedrichs des Großen einen Impressionisten ›avant la lettre‹ entgegenstellte – eine auf andere Weise einseitige Interpretation. Zu Recht hat man im Bild »Das Balkonzimmer« immer die Frische der Anschauung wie der Ausführung bewundert, die atmosphärische Suggestion, die beglückende Poesie eines unspektakulären Alltags. Doch gilt es auch, die Problematisierung dieses Alltags und darüber hinaus der Malerei selbst wahrzunehmen. Diese Problematisierung beginnt mit der auffallenden Leere des Zimmers. Es gehörte zweifellos zur damaligen Wohnung des Künstlers (und seiner Mutter und Geschwister) in der Schöneberger Straße, am damals äußersten Südrand Berlins, von deren Balkon aus Menzel auch gemalt und gezeichnet haben wird; ob seine Werkstatt im selben Hause lag, wissen wir nicht. Damals arbeitete er, als Illustrator bereits angesehen, an den geistvollen Vignetten zu den »Œuvres de Frédéric le Grand«, aber auch an einem großen Genrebild, »Die Störung« (1843–1846, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe).
In den zahllosen Zimmerbildern (vor allem Aquarellen) der Biedermeierzeit wird alle Stimmung der Beschreibung eines Inventars untergeordnet, auf das der Bewohner stolz sein darf. »Das Balkonzimmer« dagegen ist nicht nur menschenleer, es fehlen in ihm auch alle Attribute der Bequemlichkeit und Schönheit. Der Teppich: ein kümmerlicher Läufer. Die Stühle: voneinander abgewandt, willkürlich abgestellt. Das Kanapee und der darüber hängende Stich: nur eine Spiegelung ohne materielles Gewicht. Von Jan van Eycks Arnolfini-Eheporträt (National Gallery, London) bis zu den spitzfindigen Kompositionen Johann Erdmann Hummels hatten Spiegelbilder stets die Information nur ergänzt (und verrätselt), im »Balkonzimmer« aber holt erst der optische Kunstgriff eine dichtere Anschauung ins Bild herein. Außerhalb ihrer bliebe der Bildraum ungastlich und verlassen – ohne das hereinflutende Licht, das genau in der Mittelachse die aufrauschende Gardine durchstrahlt, auf dem Parkett widerscheint und noch das Spiegelbild erhellt.
Erst dank der gegenständlichen Leere kann sich die Farbe von der Bindung an Umrisse und Lokaltöne lösen und hinreißend eigenständiges Leben gewinnen. Schon Hugo von Tschudi verzweifelte am Unvermögen des »plumpen Wortes«, den so unscheinbaren »Wundern« dieser Kunst gerecht zu werden (H. von Tschudi, Aus Menzels jungen Jahren, Berlin 1905, S. 226). Rätselhaft bleibt der helle Fleck auf der leeren Wand. Ein Sonnenreflex? Oder hat der Stubenmaler seine Arbeit unterbrochen, oder ist das Bild unfertig? So bleibt ein Teil der Bildfläche undefiniert. Der dünne Schatten, der das Kanapee links vertritt, beraubt auch die Wand ihrer körperlichen Dichte. Die Bildlogik läßt Plastizität hier nicht zu.
Entgegen der traditionellen perspektivischen Konstruktion suggeriert das Bild zwei unterschiedliche Blickhöhen. Der Fußboden scheint unter den Füßen des Betrachters wegzugleiten, und es fehlen seitliche Begrenzungen, die helfen könnten, die vordere Bildebene zu orten. Zudem wechselt die Deutlichkeit der Wiedergabe: hier bestimmt und körperhaft, da flüchtig hinwischend – entsprechend unserer Erfahrung, daß die optische Wahrnehmung von Augenblick zu Augenblick ihren Fokus ändert. Auch Theoretiker erwogen damals bereits die Möglichkeit, in der Malerei die »verschiedene Adaption des Auges je nach der Entfernung des wahrzunehmenden Objektes« vorzutäuschen und die Gegenstände, je weiter sie von dem Hauptobjekt des Bildes entfernt sind, desto unbestimmter zu malen (R. Wiegmann, Die illusorische Wirkung bei Gemälden, in: Deutsches Kunstblatt, Bd. 6, 1855, S. 197–200).

Material/Technik

Öl auf Pappe

Maße

Höhe x Breite: 58 x 47 cm; Rahmenmaß: 71,5 x 62 x 7,5 cm

Links/Dokumente

Nationalgalerie

Objekt aus: Nationalgalerie

Die Nationalgalerie umfängt einen Kosmos der Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Wer sich in ihre Ausstellungen begibt,...

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