Neben innerlichen, empfindsamen Bildern versuchte sich Thoma seit den späten 1870 Jahren, gleich Böcklin, an schrilleren Ausdrucksformen. Meist betraf dies nicht Abbildungen der Wirklichkeit, sondern antikisierende, auch biblische Szenen. Die Figuren nahmen oftmals nahezu skurrile Züge an. Dargestellt ist hier die unvermutete Begegnung zwischen dem auferstandenen Christus und Maria Magdalena, die an diesem Morgen mit Schrecken bemerkt hatte, daß der Leichnam Christi verschwunden war. Von zwei Engeln am offenen Grab wurde sie nach ihrem Schmerz befragt: »Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wußte aber nicht, daß es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen« (Joh 20, 13–15). Doch trotzdem Jesus auf dem Bild von Thoma einen Spaten trägt und so zu der Verwechslung Anlaß gibt, hat ihn Magdalena erkannt und ist auf die Knie gesunken.
In manchen christlichen Themen hat Thoma offensichtlich auch Probleme seines Künstlerlebens reflektiert, wie hier vielleicht das Motiv der Verkennung. 1902 wandte er sich dem Thema in größeren Varianten erneut zu (vgl. die Bildtafeln in: H. Thode, Thoma, Stuttgart 1909, S. 439 und 440). | Angelika Wesenberg
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