Nach eigener Aussage wollte Böcklin mit diesem Bilde das akustische Phänomen der Brandung in Malerei umsetzen. Und wie mehrfach in diesen Jahren praktiziert, versuchte er eine bestimmte Naturstimmung sich in einem Einzelwesen verkörpern zu lassen. Die Brandung personifizierte Böcklin mit dieser, in einer Felsspalte lehnenden Frauengestalt. Die Saiten der großen Harfe hinter ihr sind nicht nur gleich stark, sondern auch alle gleich lang. »Der Ton der Brandung ist eben stets derselbe«, erklärte dies Böcklin 1879 dem Freund Arnold von Salis (Erinnerungen an Arnold Böcklin, in: Basler Jahrbuch 1902, S. 20 f.).
Den Bildgedanken der »Meeresbrandung« hatte Böcklin 1877 schon einmal, mit einer stilisierteren, schemenhafteren Frauenfigur ausgeführt (Kunsthaus Zürich). Ebenfalls um die Darstellung des Meeresrauschens ging es Böcklin wohl in den beiden Fassungen des »Triton, auf einer Muschel blasend« von 1879/80 (Niedersächsische Landesgalerie, Hannover; Privatbesitz), die auch durch ihre Größe und Komposition – mit der nach links gewandten Figur des Tritonen – wie Gegenstücke zur »Meeresbrandung« wirken. Karl Voll entdeckte die überraschende Ähnlichkeit der zurückgelehnten Frauengestalt mit einer Radierung von Salomon Gessner: »Die sehnende Melida auf der einsamen Insel bei ihrer Schafherde« (Kunst und Künstler 1912, S. 506). Scheffler wies auf die maskenhaften Gesichter hin, die an den Felsen zu entdecken sind und einen Eindruck von Gefährlichkeit verstärken. Nach Ludwig Justi hat Böcklin für dieses Bild Eindrücke von der Küste bei Porto Venere verarbeitet. Andrea Linnebach bringt das Bild mit zwei Gedichten aus den »Nordsee«-Zyklen von Heinrich Heine in Verbindung (vgl. A. Linnebach, Arnold Böcklin und die Antike, München 1991, S. 27). | Angelika Wesenberg
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