Kaum waren die 400 Holzschnitte zu Franz Kuglers »Geschichte Friedrichs des Großen« (erschienen 1840–1842) vollendet, schloß sich die Arbeit an den Holzschnitten zu den »Werken Friedrichs des Großen« (1843–1849) an. Doch zugleich wurde die Ölmalerei wiederaufgenommen, und zwar nicht mehr im historischen Genre, sondern »nach der Natur, was ich ja früher noch gar nicht getrieben habe« (Menzel an Carl Heinrich Arnold, 23.4.1844, in: Adolph Menzel, Briefe, Bd. 1, Berlin 2009, S. 189). Was er zuvor nur mit dem Bleistift und der Radiernadel erkundet hatte, die unscheinbare Stadtrand-Landschaft, wurde für einige Jahre das Hauptthema seiner Malerei. »Hinterhaus und Hof« muß eines der allerersten Werke dieser Art sein, denn die dargestellte Aussicht hatte er nur aus einem Fenster des Hauses Zimmerstraße 4, in dem er nur bis Anfang 1845 wohnte, und im Jahr des Auszuges hatte er keine Gelegenheit mehr, eine so sommerliche Situation zu erleben. Gegenständlich Bestimmtes zeigt sich nur an der Peripherie: rechts, ausschnitthaft, die kahle Rückseite eines Mietshauses neuer Bauart, doch von Anbeginn vernachlässigt, in fliehender Ansicht und davor ein Latrinenhäuschen; links, ebenso exzentrisch, ein schuppenartiges Gebäude; hart aufeinanderstoßende Bretterzäune mit aufwendigem Stützsystem auf undefiniertem, ödem Gelände. Letzteres zeigt die zerwühlte, ockerfarbene Erde einer kleinen Baustelle mit unkrautartigem Gestrüpp; die hölzerne Bewässerungsrinne einer Wasserpumpe führt quer über den Hof zu der kleinen Baugrube, an der frisch aufgeschütteter heller Sand leuchtet. Keine Menschen auf der Baustelle, doch im jenseitigen Hof spielen Kinder, und auf dieses winzige Motiv wird der Blick unerwarteterweise fokussiert. Dahinter erhebt sich, separat, ein irritierendes ›Bild im Bild‹. Der asphaltbraune Ton, mit dem der helle Malgrund vor der Arbeit mit den Farben überzogen wurde, blieb hier unbedeckt und gewinnt Eigenleben. Man erkennt die Spuren kräftigen Abschabens – einer unorthodoxen Technik, deren sich Menzel auch später nicht selten bediente; sie entlastet die ohnehin dünne Schicht von ihrer Materialität und läßt ein visionäres, schwebendes Gebilde entstehen, das an eine Luftspiegelung denken läßt und hart mit der kleinteiligen, nüchternen Konkretheit des Hinterhauses kontrastiert. Die Folge: Da zwei malerische Sprachen nebeneinander eingesetzt sind, wird die ästhetische Einheit des Bildes in Frage gestellt.
Lag diese Wirkung von Anfang an in der Absicht des Malers? Kaum. Doch einmal entstanden, wurde sie vorsätzlich nicht durch weiteres Bearbeiten getilgt. Diese Freiheit des Experimentierens ohne Rücksicht auf Verkauf oder Ausstellung bot die Gattung Studie – als ein Dialog der Malerei mit sich selbst. Daß Menzel gegen Ende seines Lebens solche Arbeiten in die Öffentlichkeit entließ, deutet auf einen grundsätzlichen Wandel der Erwartungen an die Kunst hin. | Claude Keisch
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