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Nationalgalerie Alte Nationalgalerie [A I 323]
https://id.smb.museum/digital-asset/4995337 (Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Abreise König Wilhelms I. zur Armee am 31. Juli 1870

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Beschreibung

In Menzels Stadtbildern aus den vierziger Jahren kamen Menschen, wenn überhaupt, nur in der Ferne vor, winzig, dem atmosphärischen Raum untergeordnet. In den seit den sechziger Jahren entstehenden füllt ihr aufgeregtes Treiben den Bildraum aus, ja es macht ihn überhaupt meßbar. Diesen Wandel bewirkt nicht zuletzt eine veränderte Erfahrung des Stadtlebens. Bemerkenswert ist, daß Bilder aus Paris dem Berliner Bild um mehrere Jahre vorangehen.
Diese Stadtschilderung ist zugleich ein Ereignisbild. Bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges hatte der Künstler seinen Sommeraufenthalt in der Sächsischen Schweiz abgebrochen. Kaum in Berlin angekommen, erlebte er vom Fenster eines Restaurants Unter den Linden den Lärm um die Ausfahrt des Königs zum Potsdamer Bahnhof. Ehe sich Wilhelm I. zum Heer begab, hatte er eine Amnestie für politische Verbrechen und Vergehen erteilt. Erst unterwegs, von Mainz aus, gab er bekannt, er habe den Oberbefehl über die Truppen aller Staaten des Deutschen Bundes übernommen.
Die vom königlichen Schloß zum Brandenburger Tor führende Straße Unter den Linden war die seit Jahrzehnten vielgepriesene elegante Promenade Berlins mit teuren Geschäften und Hotels; über sie führten aber auch alle Ausfahrten des Königs, ebenso der Einmarsch heimkehrender Truppen. Der Standort des Malers muß unweit des Brandenburger Tores vermutet werden; die prunkvollen neubarocken Häuser sind jedoch nur fiktive Vertreter eines Typus, der sich damals gerade erst zu verbreiten begann. Im Hintergrund ist deutlich der backsteinerne Turm des neuerbauten Rathauses zu erkennen, während das weniger entfernte mächtige Stadtschloß nur schattenhaft und verschleiert erscheint. Und wie das Symbol der Berliner Bürgerschaft den Vorrang vor dem Sitz des Königs erhält, so gerät auch keines der vielen mit Staat und Hof verknüpften Gebäude ins Blickfeld.
Das städtische Bürgertum, darunter wohl auch der Auftraggeber des Gemäldes, der Bankier Magnus Herrmann, ein Freund Menzels, und sein Schwiegersohn, der Maler Albert Hertel, mit ihren Frauen, nimmt ganz von dem Bild Besitz. Nur in einem einzigen seiner Vertreter, unterwürfig erscheinend, sonst aber neugierig erregt, geschäftig, mitunter kennerhaft abwartend, läßt es gerade noch einen Blick auf die Kalesche zu, deren Fahrt den Bildrand fast erreicht hat. Der freundliche Gruß des alten Königs, die Verlegenheit der schluchzenden Königin deuten kaum auf eine historische Stunde hin. So viele Figuren, so viele skurrile Charaktere und Situationen. Physiognomien, Gesten, Stoffe, alles ist Stoff für virtuose Farbkunst, und nicht zuletzt die Flaggen, die sich frei im Wind bauschen möchten, meist aber verschlungen und schlaff um ihre Stangen hängen – in auffallendem Unterschied zu den frei flatternden Trikoloren in den Stadtbildern von Monet oder Pissarro. Der skeptische Patriot Menzel mengt darunter auch eine Fahne des Roten Kreuzes.
Die Architekturdarstellung aber darf man als eine Perspektivsatire bezeichnen. Während wir auf die Spalierstehenden von leicht erhöhtem Standpunkt blicken, bewirkt der Streifblick von unten her auf die Hausfassade eine schwindelerregende Verjüngung der Linien, eine groteske Untersicht auf den vorderen Balkon. Alles Ornament wird auf kleinstem Raum zusammengedrängt, das Kranzgesims erscheint gar senkrecht. Dieses rechte Bilddrittel, in dem sich nur noch Wahrnehmungsfragmente bieten, enthält den Schlüssel zum Ganzen. | Claude Keisch

Material/Technik

Öl auf Leinwand

Maße

Höhe x Breite: 63 x 78 cm; Rahmenmaß: 90,5 x 106 x 7 cm

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Nationalgalerie

Objekt aus: Nationalgalerie

Die Nationalgalerie umfängt einen Kosmos der Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Wer sich in ihre Ausstellungen begibt,...

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