Dieses prachtvolle Seidengewebe illustriert die Vollkommenheit der japanischen Seidenweber. Vor silbergrauem Fond stehen in freier, asymmetrischer Verteilung neun goldgerahmte Fächer mit unterschiedlich weit geöffneten Blättern. Jeder Fächer ist mit lilafarbenen Glücksknoten geschmückt, deren lange, lose Bänder algenartig hin- und herschwingen. Sie überkreuzen sich in lockerem Verlauf mit goldfarbenen Wellenbändern, deren aufsteigende s-förmige Schwünge eine sich kräuselnde Wasseroberfläche simulieren. Die Darstellungen auf den Fächern geben den Verlauf der Jahreszeiten wieder, von der Kirschblüte des Frühjahrs über die Schneeballblüten, die Hahn und Henne im Frühsommer begleiten, zu hochsommerlichen Schmetterlingen und über die rot-gold gefärbten Ahornblätter des Herbstes hin zur winterlichen Darstellung einer Ente auf eisigem Wasser unter von Raureif bedeckten Zweigen.
Die Schönheit des Gewebes wird durch den feinfühligen Einsatz der Farben, durch die Wahl der Garne sowie durch wechselnde Bindungseffekte bestimmt. So finden sich alle kräftigen Töne in den Fächern, ausgeführt in ungezwirntem Garn, das auf der Vorderseite flottiert und dadurch besonders plastisch wirkt. Ein Bindungswechsel, Satinbindung für den Grund außerhalb der Fächer und Ripsbindung innerhalb der Fächer, führt zu unterschiedlichen Grautönen, denen jedoch dasselbe silbergraue Garn zugrunde liegt.
Das Gewebe entstand als Musterprobe in den Werkstätten von Kawashima Jinbei, eines noch heute führenden japanischen Seidenherstellers. 1886 besuchte Kawashima Jinbei II (1853–1910) Berlin, zusammen mit Graf Yajiro Shinagawa (1843–1890), der von März bis Dezember 1886 als Kaiserlicher Gesandter in Berlin akkreditiert war. Bei dieser Gelegenheit überreichte der Graf die Gewebeprobe dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1831–1888, reg. 1888), der sie 1887 dem Kunstgewerbemuseum übergab. CW
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