Die Wiener Werkstätten waren 1903 als Gemeinschaft von Künstlern und Handwerkern unter der künstlerischen Leitung von Josef Hoffmann und Kolomann Moser gegründet worden. Ihr erklärtes Ziel war es, alle Lebensbereiche unter der Prämisse von Eleganz, Sachlichkeit und Angemessenheit der Mittel künstlerisch zu durchdringen. Die Gestaltungsweise war anfangs vom geometrisierenden Stil Josef Hoffmanns und Koloman Mosers beherrscht. Doch die Formensprache änderte sich nicht zuletzt durch die Arbeiten Dagobert Peches (1887-1923), der ab 1911 für die Wiener Werkstätte entwarf. Seine phantasievoll-phantastischen Zierformen leiteten den entscheidender Wandel weg vom zweckbestimmten Design ein.
Erste Schritte in die neue Richtung waren bereits ab 1910 bei der Stoffproduktion der Wiener Werkstätten unter Eduard Wimmer-Wisgrill ablesbar, deren Dessins später ebenso auf Tapete übertragen wurden. 1913 stellte die Werkstätten in der umfangreichen „Ausstellung der Tapeten- und Linkrusta-Industrie“ im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie ihre erste Tapetenkollektion vor, zu der unter anderem Dagobert Peche seine Entwürfe präsentierte. Ein Jahr später erregte Peche besondere Aufmerksamkeit mit seinem Repräsentationsraum im von Josef Hoffmann entworfenen österreichischen Haus bei der „Deutsche Werkbundausstellung“ im Köln. Die überhohen Wände und der Plafond waren mit der Tapete Paradeisgartl ausgeschlagen. Die Tapete mit dem locker verteilten kleinen Blütenformen, die wie mit der Hand gestempelt wirken, stand im Gegensatz zu der dichtgemusterten Auslegeware des Fußbodens. Bei der Ausstellung wurde auch das Innenraumkonzept der Wiener Werkstätten deutlich, starkmustrigen Tapeten mit passenden Textilien zu kombinieren. Ohne Anlehnung an überlieferte Stile hatte Peche eine eigene, bizarr stilisierte Welt geschaffen, die sich durch seinen frühen Tod 1923 ein jähes Ende fand. STh
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