Die Legende des Paris-Urteils blieb seit der Antike bis heute in unterschiedlichen Variationen lebendig. Das in seiner noch nahezu ursprünglichen Farbigkeit erhaltene Relief zeigt eine seit dem Mittelalter verbreitete Variante des Paris-Urteils. Paris ist darin nicht der trojanische Königgssohn, der den Schönheitswettbewerb zwischen den Göttinen Hera, Athena uns Aphrodite zugunsten letzterer entschied, sondern ein vornehmer Ritter, dem, in einer Traumvision Merkur mit den drei Göttinen erscheint. Die als Traum dargestellte Begegnung erlaubte dem Künstler - bzw. Auftraggeber - eine neue, nach moralischen Gesichtspunkten zu treffende Entscheidung zu fällen.
Paris liegt hier schlafend unter einem Baum an einer Erderhöhung gelehnt, auf dem ein kastenartiger Brunnen platziert ist. Seine Rechte ruht auf seinem Helm, während seine linke Hand den Griff seines Schwertes umfasst. Am Kopfende kniet der ebenfalls gerüstete Götterbote Hermes (Merkur), der gerade im Begriff ist, Paris mit seinem (abgebrochenen und verlorengegangenen) Heroldsstab zu wecken. Sein Pferd, dass links zwischen zwei Bäumen hervorschaut, scheint das Geschehen aufmerksam zu verfolgen. Rechts, hinter der lagernden Figur des Paris, sind die drei Göttinnen aufgereiht, wobei sich von der mittleren lediglich die Füße erhalten haben. Die Szene wird rechts von einem sitzenden, aus dem Bilde schauenden Hund abgeschlossen..
Das Relief ist einem anderen Werk im Kunsthistorischen Museum in Wien thematisch und stilistisch engstens verwandt, welches das Monogramm B. G. trägt. Der bislang namentlich nicht bekannte Meister gehört dem schwäbischen, vermutlich Augsburger Kunstkreis an. Seine wenigen überlieferten Werke lassen sich in die Jahre zwischen 1530 und 1540 datieren. Wie auch im Berliner Relief übernahm er gerne Motive aus der Graphik der Dürerzeit: neben Albrecht Dürer, dienten ihm vor allem auch die Bildfindungen Lucas Cranachs und Albrecht Altdorfers.
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