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Gemäldegalerie Malerei Tafelmalerei [586]
https://id.smb.museum/digital-asset/5248570 (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Der Kaufmann Georg Gisze (1497-1562) (The merchant George Gisze (1497-1562))

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Beschreibung

Georg Gisze (1497–1562) entstammte einer wohlhabenden Danziger Kaufmannsfamilie, war 1519 vom polnischen König Sigismund I. in den Adelsstand erhoben worden und ging 1522 an den Stalhof, die Handelsniederlassung der deutschen Kaufleute in London. Hans Holbein der Jüngere war Anfang 1532 zum zweiten Mal aus Basel in die englische Hauptstadt gereist, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1543 der unangefochten führende Porträtist wurde. Neben Personen vom Königshof und aus dessen Umfeld bedachten ihn in den ersten Jahren auch die Stalhofkaufleute mit Aufträgen für Bildnisse, darunter das Konterfei eines Mannes aus der Familie Wedigh in der Gemäldegalerie. Doch kann sich keines dieser Kaufmannsporträts in Größe und Aufwand mit der vorliegenden Tafel messen. Gisze steht in Halbfigur in einem holzvertäfelten Innenraum, seinem Kontor. Ein kostbarer anatolischer Teppich bedeckt den Tisch im Vordergrund, auf dem sich eine hauchzarte venezianische Glasvase mit Nelken und Rosmarin, eine Dosenuhr, eine technische Meisterleistung der Zeit, eine zinnerne Schatulle für Schreibgerät und anderes mehr befinden. An den Wänden sind zahlreiche Briefe festgesteckt, an den Regalen hängen links eine Waage und ein Petschaft, rechts eine prachtvoll verzierte Schnurkugel; auch Bücher, schwere Goldringe und Schlüssel sind zu sehen. Holbein hat es verstanden, den Kaufmann durch seine schimmernden roten Seidenärmel, die massige schwarze Schaube und das Barett von diesem kleinteiligen Beiwerk abzusetzen. Ohne Zweifel hat Gisze selbst diese Fülle gewünscht, um ein bestimmtes Image von sich zu vermitteln: Die Briefe verweisen auf sein Agieren als Handelsherr, während die kostbaren Gegenstände Wohlstand und Geschmack bezeugen. Giszes Motto steht links an die Wand geschrieben: »Nulla sine merore voluptas« (Ohne Leid kein’ Freud). Eine Extravaganz wie die prachtvollerote Seide von Giszes Kleid, die in Holbeins Bildnissen anderer Kaufleute nicht vorkommt, dürfte ebenso auf den adeligen Stand des Danzigers verweisen wie das Schwert, dessen kristallgeschmückter Knauf an seiner linken Hüfte sichtbar wird. Der Cartellino am oberen Bildrand, der nicht etwa als auf der gemalten Rückwand, sondern auf der Bildoberfläche klebend gedacht ist, enthält einen lateinischen Zweizeiler, der übersetzt lautet: »Distichon auf Georg Gisze. Dieses Bild, das du siehst, gibt Georgs Gesichtszüge wieder, so lebhaft ist sein Auge, so sind seine Wangen geformt / Seines Alters 34 Jahre / Im Jahre des Herrn 1532«. Der Gebrauch der klassischen Sprache verweist auf Bildung. Dies scheint bedeutsam im Zusammenhang mit dem Brief, den Gisze gerade öffnet: Der Absender hat ihn an seinen »broder« adressiert; der einzige 1532 noch lebende Bruder des Kaufmanns aber war Tiedemann Giese (1480–1550), ein bedeutender katholischer Kleriker und Gelehrter, der später Bischof von Kulm, dann Ermland wurde. Tiedemann beherrschte Latein und Griechisch, war mit Nikolaus Kopernikus befreundet und stand im Briefwechsel mit Erasmus von Rotterdam in Basel, den wiederum Holbein mehrfach porträtiert hatte. Dass Georg Gisze sich an Holbein unmittelbar nach dessen Eintreffen in England wandte, mag angesichts solcher Verbindung kein Zufall sein: Möglicherweise wusste sein Bruder durch Erasmus von Holbein und wies Georg darauf hin, dass der größte Porträtist der Zeit auf dem Weg nach London war und sich somit die einmalige Chance zu einem anspruchsvollen Bildnis ergab. Der Brief verleiht dem Porträt zugleich eine familiäre Note, und in diesem Zusammenhang scheint denn auch die Deutung des Blumenstraußes als Liebessymbol sinnvoll: Gisze mag bereits verlobt gewesen sein, denn er ging zwei Jahre später nach Danzig zurück, heiratete und wurde Ratsherr. Wahrscheinlich ließ er das Bildnis anfertigen, um es an seinen Bruder zu schicken und damit in der Heimat seine Verhältnisse darzulegen. Georg Gisze wurde am 2. April 1532 35 Jahre alt, doch bezeichnet ihn das Diptychon auf dem Cartellino als 34-jährig. Mithin muss das Bildnis vor diesem Datum vollendet worden sein. Holbein aber traf erst um die Jahreswende 1531/32 in London ein, und so dürfte der Auftrag von Gisze einer der ersten oder sogar der allererste Auftrag gewesen sein, den der Maler nach seiner Übersiedlung empfing. Er hatte also höchstens drei Monate Zeit, dieses Meisterwerk der Porträtkunst zu schaffen. In diesen drei Monaten aber nahm er ganz erstaunlich viele, einschneidende Veränderungen an der Komposition vor: Wie mit bloßem Auge erkennbar ist, war das Regal zunächst über Giszes Kopf an der Rückwand angebracht, die Raumecke (mit Regalbrett) befand sich links; das Regal wurde dann zunächst weiter nach oben verschoben, schließlich jedoch nach rechts versetzt. Ebenso war der Kopf des Mannes zunächst frontal zu sehen und wurde erst im Laufe der Ausführung nach rechts gedreht. Wir wissen nicht, ob diese Änderungen vom Maler ausgingen, allerdings hat Holbein auch in anderen Bildern ähnlich gearbeitet. Durch das Versetzen der Ecke wurde der Raum um die Figur enger, er scheint, ebenso wie der Tisch, keinen rechten Winkel aufzuweisen. Dadurch aber wirkt Gisze besonders dominierend. Zur anhaltenden Faszination, die von dem Bildnis ausgeht, trägt diese Abweichung vom real Möglichen ebenso bei, wie der auf den Betrachter gerichtete Blick bei leichter Drehung des Kopfs, ein Blick, der uns distanziert-abwartend zu mustern scheint.| 200 Meisterwerke der europäischen MalereiGemäldegalerie Berlin, 2019 SIGNATUR/INSCHRIFT: An die Wand gepinnter Zettel: Di(s)tichon [in griech. Schrift] i(n) Imagine(m) Georgii Gysenii--/ Ista, refert vultus, qua(m) cernis, Imago Georgi / Sic oculos vivos, sic habet ille genas / Anno aetatis suae xxxiiii Anno dom(ini) 1532 Eine Devise links in weißer Schönschrift an die Wand gemalt: Nulla sine merore voluptas - G. Gisze Auf der Kugel: ...EN/ HEER/ EN Zettel in der Hand: Dem erszamen / Jorgen Gisze to lunden / in engelant mynem / broder to handen Oberer eingesteckter Brief vorne: DEm Erszame(n) Jurgen / ghysszen to lund(en) in / engelant kame dysszer breff / -- Inhans [Johann?] / in lund anno 1528 / Stolten - 7. ?? [die Monatsangabe unleserlich] - mit einer Hausmarke und: Ihns broder to handen Oberer eingesteckter Brief hinten: DEm Ers.../ vorsichtige J ../ghyszen to l/ engel../ K /In tomas / Bandz [Bander oder Szander ?] Unterer eingesteckter Brief vorne: DEm Erm erszamen / vorsichtige(n) Jurge(n) gyssze / to lund in engelant / kome dysser breff / in Jurge / zubasel[?] 1531 [mit Hausmarke] Unterer eingesteckter Brief hinten: ..... nder/ gyssze(n) nt / in lund(en) anno 1531 17ten [?] Mai |--Hier Übersetzung--:::: Georg Gisze (1497–1562) came from a wealthy Danzig family of merchants, was ennobled in 1519 by the Polish King Sigismund I and in 1522 went to the Stalhof, the London branch of the Hanseatic League. Hans Holbein made his second trip to the English capital from Basel in 1532. In London, he was the unchallenged leading portraitist until his death in 1543. Besides people from the royal court and surroundings, he also received commissions for portraits in the early years from the merchants at the Stalhof, including the portrait of a man from the Wedigh family in the Gemäldegalerie. But none of these merchant portraits can rival this panel in terms of scale and effort. Gisze is portrayed in half-length in a wood-panelled room, which serves as his office. A magnificent Anatolian carpet covers the table in the foreground on which stand a delicate vase of Venetian glass containing carnations and rosemary, a pocket watch – a technical masterpiece of the time – and a tin box for writing implements as well as many other things. Numerous letters are stuck on the walls. From the shelves on the left hang scales and a signet, from those on the right a magnificently decorated ball containing string, books, heavy gold rings and keys. Holbein skilfully offsets the merchant from all these accoutrements by clothing him in shimmering red silk sleeves, a voluminous black cape and a beret. Without doubt, Gisze himself wished to be surrounded by all these objects in order to communicate a certain image of himself: the letters allude to his work as a merchant, while the precious objects testify to his prosperity and taste. Gisze’s motto is inscribed on the wall on the left: “Nulla sine merore voluptas” (No joy without suffering). The portrait exhibits a degree of extravagance (the magnificent red silk of Gisze’s robe and the sword of which only the crystal pommel is visible above on his left hip) which does not appear in Holbein’s portraits of other merchants. This was probably an allusion to Gisze’s noble standing. The piece of paper near the upper edge of the picture, which looks as if it were stuck not on the painted back wall but on the surface of the picture itself, contains two lines in Latin, which translated mean: “Distich to Georg Gisze. This painting, which you see, reproduces Georg’s facial features, so lively is his eye, so shapely are his cheeks / aged 34 years / in the year of the Lord 1532”. The use of Latin suggests education and this seems to be significant in connection with the letter that Gisze is just opening: the sender has addressed it to his “broder”; the only brother of the merchant who was still alive in 1532, however, was Tiedemann Giese (1480–1550), an important Catholic cleric and scholar and later Bishop of Kulm, and then Ermland. Tiedemann knew Latin and Greek, was friends with Nicolaus Copernicus and corresponded with Erasmus of Rotterdam in Basel, of whom, in turn, Holbein painted several portraits. The fact that Georg Gisze contacted Holbein directly after his arrival in England, may, in view of such a connection, be no coincidence: his brother may have learned about Holbein from Erasmus and informed Georg that the greatest portraitist of the time was on his way to London and that Georg therefore had a unique opportunity to have a high-quality portrait painted of him. At the same time, the letter lends the portrait a familiar note, and the interpretation of the bunch of flowers, as a symbol of love would seem to make sense in this connection: Gisze may already have been engaged to be married, for two years later he went back to Danzig, married and became a city counsellor. Probably he had the portrait done in order to send it to his brother and to show off his circumstances to his future spouse.| 200 Masterpieces of European Painting – Gemäldegalerie Berlin, 2019

Material/Technik

Eichenholz

Maße

Bildmaß: 97,5 x 86,2 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 97.5 x 86.2 cm, Rahmenaußenmaß: 120,5 x 108 x 8 cm, Rahmenaußenmaß (Höhe x Breite): 120.5 x 108 cm

Gemäldegalerie

Objekt aus: Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei des 13. bis zum 18. Jahrhunderts. Die Bestände umfassen...

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