Der Kopf eines kahlköpfigen Priesters aus Granodiorit zeichnet sich durch seine besonders fein polierte Oberfläche und die stark kanonisierten, fast schematisch wirkenden Züge aus. Das länglich ovale Gesicht in Kombination mit der hohen Stirn und der „eierförmigen“ Kopfform ist charakteristisch für die ägyptische Spätzeit. Der Dargestellte, der aufgrund der nach oben gezogenen Mundwinkel zu lächeln scheint, ist mit einem zeitlos wirkenden, jugendlichen Erscheinungsbild abgebildet. Die stilisierten Gesichtszüge geben keine Hinweise auf das individuelle Aussehen des Dargestellten, sondern sie unterliegen dem epochenspezifischen Darstellungskanon, der in Anlehnung an die königlichen Bildwerke die Proportionen, Kompositionen sowie stilistische Kriterien für die Abbildungen menschlicher Figuren regelhaft vorschrieb. Der Ansatz eines Rückenpfeilers lässt sich auf der Rückseite der Statue erkennen.
Ab der Spätzeit, vor allem versstärkt ab der Perserherrschaft ab der 27. Dynastie und vor der makedonischen Eroberung, erfreute sich die stark kanonisierte Darstellungsweise bei den Privatbildwerken als bewusster Rückgriff auf die Stile der frühen Epochen – parallel zu der divergenten Entwicklung der realistisch wirkenden Züge von Privatstatuen – erneut großer Beliebtheit. Ob der Berliner Priesterkopf ursprünglich zu einer Stand- oder einer Sitzstatue gehörte, lässt sich aufgrund seines fragmentarischen Zustands leider nicht mehr feststellen. Auch der ursprüngliche Aufstellungsort bleibt ungeklärt. Aber die bewusste Wahl des Stifters, sich in dieser Weise abbilden zu lassen, weist klar auf sein Bestreben hin, sich mithilfe des aus dem Hartgestein herausgearbeiteten „Ersatzkörpers“ mit einem jugendlichen, vollkommenen Erscheinungsbild zu verewigen.
(I. Liao)
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