Der Einband enthält ein im 3. Viertel des 10. Jahrhunderts in St. Gallen geschriebenes Evangelistar, eine liturgische Handschrift, welche im Gegensatz zum Evangeliar die voll ausgeschriebenen Evangelienlesungen (Perikopen) in der Abfolge des Kirchenjahres enthält. Seine verschiedenen Teile entstanden zu unterschiedlichen Zeiten: Die Buchschließe mit dem verschlungenen Drachenornament stammt aus karolingischer Zeit, während die zweite Schließe mit dem Löwen wohl im frühen 11. Jahrhundert gleichzeitig mit dem Rückdeckel hergestellt wurde. Dieser zeigt innerhalb eines Flechtbandrahmens zwei verbundene Palmettenranken mit je drei Voluten, denen Fruchtstände entspringen.
Der Vorderdeckel ist erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts in Westfalen entstanden. Er enthält im vertieft liegenden Mittelfeld in einem Vierpass die Majestas Domini, den auf dem Regenbogen thronenden Christus mit Buch im Segensgestus. In den Zwickeln neben dem Vierpass erscheinen die geflügelten Symbole der vier Evangelisten: der Mensch für Matthäus, der Adler für Johannes, der Löwe für Markus und der Stier für Lukas. Letzterer ist zum größten Teil verloren, der Markuslöwe erweist sich als Ergänzung aus gotischer Zeit. Bei späteren Instandsetzungen wurde auch der Kopf der Christusfigur stark entstellt.
Die Handschrift enthält ein wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eingetragenes Verzeichnis des Kirchenschatzes des Engerer Dionysius-Stifts sowie ein etwas jüngeres Anathema, einen Bannfluch gegen Plünderer: „Den schlechten Teil im Himmel jenen, die den Schatz von St. Dionysius entfernen, ihre letzte Ruhe wird in der Hölle sein“. LL
Entstehungsort stilistisch: Westfalen
Historischer Standort: bis 1885 Herford, St. Johanniskirche
Historischer Standort: bis 1414 Enger, Stiftskirche St. Dionysius
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