Die Schauseite des prunkvollen Truhenschlosses wird durch reiche Flamboyantformen geprägt: Durchbrochen gearbeitetes Fischblasenornament, Taustäbe, zwei fialenbekrönte Pfeiler und der als Mittelpfosten mit Figurenbaldachin gestaltete Schließhaken vermitteln den Eindruck eines Kirchenportals mit Trumeau-Skulptur. Das Schlüsselloch wird verdeckt durch eine bewegliche Lasche mit dem bekrönten französischen Lilienwappen. Den bildhaften Verweis auf die Funktion des Truhenschlosses durch das Zitat der Architekturformen eines Portals findet sich auch an zwei ähnlichen Schlossplatten im Pariser Musée National du Moyen Age.
Am französischen Ursprung dieses eindrucksvollen Zeugnisses spätmittelalterlicher Schmiedekunst kann aus heraldischen und stilistischen Gründen kaum ein Zweifel bestehen. Die gekrönte Figur unter dem Baldachin stellt offenbar den 1297 heiliggesprochenen französischen König Ludwig IX. (1214-1270) dar. Als "Beschützer der Monarchie" und "Förderer der Klöster" galt Ludwig der Heilige bald auch über Frankreich hinaus als Beispiel eines gerechten christlichen Königs. Anstelle seiner traditionellen Attribute - der durch ihn nach Paris gebrachten Dornenkrone und Kreuzesnägel Christi - hält er hier in seiner Linken ein schalenförmiges Gefäß als Verweis auf die legendäre eigenhändige Speisung der Armen und eines siechen Möchns der Abtei Royaumont. LL
Entstehungsort stilistisch: Frankreich
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