Nathe, der seinen ersten Zeichenunterricht auf dem Gymnasium in Görlitz erhielt, ehe er Schüler von A. F. Oeser an der Leipziger Akademie wurde, ist seiner schlesischen Heimat stets verbunden geblieben dank seiner gut situierten Freunde v. Gersdorf, v. Meyer und v. Schachmann, mit denen er die Heimat durchstreifte, das Riesengebirge erwanderte und 1783 die Schweiz besuchte. 1787 wurde er als Zeichenlehrer an sein altes Gymnasium in Görlitz geholt, eine Stellung, die er 12 Jahre lang geduldig ausfüllte. Nach dem Tode seiner Frau 1798 verließ er den Schuldienst, 4 Jahre später auch die Stadt. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Lauban.
Abseits der großen Kunstzentren, in gesicherter Stellung, konnte Nathe seine künstlerische Meisterschaft nach eigenen Vorstellungen entwickeln, ohne Rücksicht auf den Publikumsgeschmack. Seine Naturverbundenheit entfernte ihn immer mehr vom akademischen Stil seiner Jugendjahre und führte ihn zur reinen Landschaft, bei der er im Gegensatz zu den Vedutenmalern gänzlich auf Figuren verzichtete. Sie ließ ihn die Stimmungen der Natur als etwas sehr Wechselvolles, vom Augenblick Abhängiges erleben. Er suchte mit eigens entwickelter Zeichentechnik diese so schnell vergänglichen Landschaftseindrücke festzuhalten. Mit rascher Feder notierte er die natürlichen Gegebenheiten als Gerüst für das Aquarell, bei dem er sich auf wenige Farben beschränkte, um die abziehenden Regenwolken, die feuchte Erde, das frisch glänzende Laub der Bäume und die flüchtigen Schatten auf das Papier zu bannen. Niemand vor ihm hatte die atmende Natur so intensiv darzustellen gewußt. Der 18. Oktober 1791 darf deshalb, wie Möhle meint, als Geburtstag des Impressionismus gelten.
Text: Renate Kroll in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 156f., Kat. III.91 (mit weiterer Literatur)
de