Im Gegensatz zu seinen Reisen durch Italien, auf denen Schinkel die historische Kulturlandschaft studierte, standen während des Aufenthalts in England neue Bauaufgaben im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit, die das Industriezeitalter hervorgebracht hatte. Korrespondierend zu der Ökonomie der Industrialisierung sind die Zeichnungen kleineren Formats und in der Wahl der Zeichenmittel auf Graphitstift, zum Teil überarbeitet mit Feder in Schwarz oder Braun, beschränkt. Wohl nutzte Schinkel auch die in Preußen noch weitgehend unbekannte, in England aber bereits verbreitete Stahlfeder, die er dort kennen gelernt. Eine der wenigen etwas größer und detail reicher angelegten englischen Arbeiten ist der Blick auf Edinburgh vom National Monument. Der Ausschnitt von einem höher gelegenen Standpunkt aus entsprach wohl einer Vorliebe Schinkels für panoramatische Stadt- und Landschaftsveduten, wie er sie vielfach auch in Italien schuf (vgl. Inv. SM 1b.26; Inv. SM 1b.28). Der Blick vom Calton Hill, auf dem sich das National Monument in Form eines Tempels im antiken Stil noch im Bau befand, hinunter auf die schottische Hauptstadt verdeutlicht ihre besondere Struktur: das historische Castle auf einem Hügel im Zentrum, umgeben von einigen Freiflächen und der neueren städtischen Bebauung. Die besondere Beachtung Schinkels dürfte die in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts nach einem Rastersystem angelegten Neustadt auf der rechten Seite hervorgerufen haben, die von der ebenfalls neu geschaffenen breiten Princess Street vom Altstadtbereich wie abgetrennt erscheint, verbunden nur durch eine weitere, annähernd bild parallel verlaufende Schneise, auf der eine Straße über eine mächtige Brücke in den Süden der Stadt führt.
Text: Nadine Rottau (2012)
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