Die monumentale Ansicht eines römischen Grabbaus an der Via Appia bei Capua gehört zu den letzten Werken Piranesis. Das Exemplar ist im ersten Zustand ohne jede Numerierung überliefert und wurde möglicherweise noch zu Lebzeiten des Künstlers, spätestens jedoch 1800-1807 als Teil der sog. »1. Pariser Ausgabe« der Folge »Vedute di Roma« gedruckt.
In der Radierung »La Connochia« [ = der Spinnrocken] kulminiert die graphische Meisterschaft Piranesis: Um vom tiefsten Schwarz - etwa im vorderen Baum bis hin zum lichten, transparenten Grau im Himmel die Kontraste und Töne zu nuancieren, wird die Kupferplatte in mehreren Stufen so bearbeitet und geätzt, daß im Druck das ganze Spektrum von feinsten Punktierungen über verschiedenste Strich- und Schraffenverbände bis hin zu breiten Furchen zur Geltung kommt. Auf diese Weise erzeugte Piranesi sowohl expansive Volumina, die wie das Grabmal aus dem Bild herauszudrängen scheinen, als auch tiefe, in den Raum hineinziehende Gebilde wie die Wolkenformation oben rechts - ein pulsierender Rhythmus, der weit über bloße Effekthascherei hinaus die Idee des schöpferischen, freien Umgangs mit antiker Baukunst zum Ausdruck bringt. Das einzelne Monument, erhaben und im Verfall noch Zeugnis einer Vision, wird im Spätwerk Piranesis immer mehr zu einem Mahnmal, dem in Analogie zur morbiden landschaftlichen Umgebung eine quasi naturhafte Überzeugungskraft beigemessen wird. Damit nähert sich Piranesi in den 1770er Jahren vorromantischen Positionen an und erweist den Vorbildern seiner Jugend - Salvator Rosa [...] und Alessandro Magnasco - in der Landschafts- bzw. Figurenauffassung erneut seine Reverenz.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 296-297, Kat. V.59 (mit weiterer Literatur)
Entstehungsort stilistisch: Rom
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