Als Tuschzeichner und Radierer wurde Boissieu schon zu Lebzeiten hoch geschätzt. Bevor sich der Künstler 1771 endgültig in Lyon niederließ, hielt er sich einige Jahre in Paris auf (1761-64), wo er mit Künstlern wie J. G. Wille, J.-B. Greuze (Kat. VI.23) und J. Vernet verkehrte, und reiste zusammen mit dem Herzog de la Rochefoucauld 1765-66 durch Italien. Hinter seinem auf Naturstudium und den niederländischen Meistern des 17. Jahrhunderts gründendem Werk steht eine neue Kunstauffassung, die sich damals -parallel zum akademischen Klassizismus -vor allem in den französischen Provinzstädten entwickelte. Innerhalb des für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich reichen Berliner Bestandes an Boissieu-Zeichnungen ist dieses Blatt ein typisches Beispiel aus der Spätphase des Künstlers. Es zeigt dessen Kunst auf dem Höhepunkt. Perez ordnete die Zeichnung den »komponierten« Landschaften zu. Der rechte Teil der Darstellung wurde 1796 mit kleinen Änderungen von Boissieu in eine Radierung übernommen (Boissieu 1878, Nr. 100; Kupferstichkabinett), deren linke Hälfte wiederum auf einer anderen Zeichnung fußt. Die große Landschaft mit den an einem Weiher ausruhenden Personen bezaubert durch die zeichnerische Präzision ebenso wie durch ihre allein durch unterschiedliche Grauwerte zum Ausdruck gebrachte diffuse Lichtwirkung und die vom Motiv ausgehende Ruhe. Die Rückenfigur auf dem Stuhl scheint zu zeichnen, während der auf dem Boden sitzende Mann ein Buch in der Hand hält und liest.
Sigrid Achenbach in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 329, Kat. VI.29 (mit weiterer Literatur)
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