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Kupferstichkabinett [KdZ 1070]
http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus?service=ImageAsset&module=collection&objectId=946320&resolution=superImageResolution#1018447 (Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Kopf eines schreienden Kindes

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Beschreibung

Wenige andere Zeichnungen demonstrieren Grünewalds Ziel, dramatische Emotionen zu visualisieren, so eindrücklich wie diese und ein noch drastischeres Gegenstück (Kupferstichkabinett Staatliche Museen zu Berlin, KdZ 12319). Die in leichter Aufsicht gegebene Kopfstudie eines in geballter Anspannung mit geöffnetem Mund und harsch zugekniffenen Augen schreienden Kindes mit lockigen Haaren steht ganz im Dienste der Affektexposition. Grünewald steigerte die Wirkung der verkrampften und verquollenen Gesichtszüge sogar im Verlauf der Entwurfsarbeit noch. Eindringlich zeigt dies ein sehr auffälliges Pentiment unter der linken, extrem gerundeten Wange des Schreienden. Hier verlaufen zwei schräge Konturlinien zum Kinn, die zunächst wohl eine mildere Verzerrung des Gesichts fassen sollten. Später entschied sich der Künstler dann aber für die extreme Beunruhigung des Konturs. Dieser entwickelt sich nun als nahezu fortlaufende bucklige Wellenlinie bzw. Wulstfolge. Sie führt von der Stirn über die Brauen- und Wangenbögen zu Nase, Lippen und Kinn und wird dabei im oberen Teil noch durch die kräuseligen Haarlocken unterstützt. Parallel dazu wird auf der anderen Gesichtsseite die Ohrmuschel in kurztaktigen Bogenformen umrissen, die dann wiederum von Haarlocken umspielt werden.
Die affektbedingte Verzerrung der Physiognomie führte zu höchst unterschiedlichen Einschätzungen des Alters der gezeigten Person. Erst allmählich konnte sich die Interpretation als Darstellung eines Kindes durchsetzen, sei es nun ein menschliches oder ein himmlisches Wesen. Auch der exaltierte Gesichtsausdruck wurde zunächst milde gedeutet. Noch in Unkenntnis der erst später aufgetauchten zweiten Studie des gleichen Themas (Nr. 25) hielten Schmid und Réau den Kopf für das grimassierende Antlitz eines singenden Engels. Schoenberger griff diese Deutung auf, näherte die Studie dem Engelskonzert des Isenheimer Altars an und verband damit eine Datierung in die Entstehungszeit der Colmarer Tafeln, um 1512–1516. Und in der Tat steht die Studie in der Kopf- und Nasenform sowie dem sehr knappen Abstand zwischen Mund und Kinn dem ebenfalls leicht aufgedunsenen Antlitz des knienden, blonden Gambenspielers im Vordergrund des Isenheimer Engelskonzerts nahe. Noch eindringlicher offenbaren sich diese Übereinstimmungen im ursprünglichen Konturverlauf des Wangenumrisses des Schreienden, den die beschriebene Pentimentlinie der Studienzeichnung noch andeutet. Gut denkbar wäre, daß Grünewald in der Zeichnung nach einem lebenden Modell eine bereits in seinem Typenschatz verankerte Kopfform mitschwingen ließ und die gesehenen Formen dann in der Durcharbeitung mit dem Ziel weiterer Ausdruckssteigerung modifizierte. Ähnliches zeigen auch andere Modellzeichnungen Grünewalds, etwa die Johannesstudie zum Tauberbischofsheimer Altar. Auch sie zeigt bereits bei der Modellaufnahme gewisse Modifikationen gesehener Gesichtszüge, die Grünewald gleich im Zeichnungsprozeß in seinen Formenapparat transformierte. Auf der vorliegenden Kopfskizze äußert sich dieser Anpassunsvorgang in der nicht von der Hand zu weisenden Verwandtschaft mit dem Gambenengel des Isenheimer Engelskonzerts.
Somit wäre auch eine Entstehung des Blattes im Anschluß an den Isenheimer Altar wahrscheinlich.
Ein möglicher Zweck dieser Studie könnte ein von Sandrart ausführlich beschriebenes Retabel Grünewalds im Mainzer Dom gewesen sein. Sandrart würdigte einen Altar mit einem spektakulären Tafelbild Grünewalds. Dargestellt war ein gemeiner Blindenmord auf dem zugefrorenen Rhein: »Auf ein anderes Blat war gebildet ein blinder Einsidler, der mit seinem Leitbuben, über den zugefrornen Rheinstrom gehend, auf dem Eiß von zween Mördern überfallen, und zu todt geschlagen wird, und auf seinem schreyenden Knaben ligt, an Affecten und Ausbildung mit verwunderlich natürlichen wahren Gedanken gleichsam überhäuft anzusehen […]«.2 Das Retabel ist nicht erhalten. Es sollte nach Sandrart i

Material/Technik

Schwarze Kreide und Pinsel

Maße

Höhe x Breite: 27,6 x 19,6 cm

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Kupferstichkabinett

Objekt aus: Kupferstichkabinett

Das Kupferstichkabinett ist das Museum der Graphischen Künste bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Es bildet dort das Sammlungs-, Kompetenz- und...

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