Das von allen vier Seiten gleich gearbeitete Kapitell hat einen schlicht gerundeten Halsring auf kreisförmiger Grundfläche, einen mit Blättern geschmückten, kelchförmigen Kalathos und eine hohe Deckplatte mit Kehlprofil. An den Seiten laufen jeweils drei unten vereinte, lanzettförmige und gespitzte Blätter strahlenförmig nach oben, das mittlere nach vorn umgeschlagen.
Die geringe Größe und der gute Erhaltungszustand sprechen für eine Kleinarchitektur im Innenraum, in der das Kapitell frei aufgestellt war; vielleicht gehörte das Kapitell zur bekrönenden Zwerggalerie einer Chorschranke, wie sie in den Klosterkirchen St. Matthias in Trier, St. Michael in Hildesheim oder in der Liebfrauenkirche in Halberstadt, alle gegen 1200, noch erhalten sind. Dort hat sich ebenfalls eine ähnlich angelegte Polychromierung (rote Tiefen, grüne Blätter mit Akzentuierung der Rippen in Ocker oder Orange, v. a. in Hildesheim) erhalten. Die dreiseitige Bemalung – ob nun ursprünglich oder nicht – muss mit einer solchen Aufstellung des Berliner Kapitells in keinem Widerspruch stehen.
Die kelchförmige Gestalt des Kalathos und die Lanzettblätter legen allgemein eine Entstehung nach 1200 nahe, doch die reduzierten Blattformen, die geringe Plastizität und das einfache Motiv des umgeknickten Blattes zeigen, dass es sich um keine sehr fortgeschrittene Arbeit handelt.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Niedersachsen
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