Neben Alltagsszenen, Landschaften und Kinderbildnissen schuf Linde-Walther in den Jahren nach 1900 eine Reihe von Freundschaftsbildern: Er porträtierte unter anderem die Malerkollegen Curt Herrmann, Ulrich Hübner (beide Verbleib unbekannt), Fritz Rhein (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A II 286) und Bernhard Gutmann (1869–1936). Gutmann, der 1892 nach Amerika ausgewandert war, lebte zeitweilig zwischen 1907 und 1911 in Paris. Möglicherweise kannten sich beide Künstler aus Paris oder aber aus der bretonischen Küstenstadt Douarnenez, in der Gutmann häufig die Sommermonate verbrachte (vgl. P. North, Bernhard Gutmann, New York 1995, S. 52, 176–177). Ludwig Thormaehlen zufolge weilte auch Linde-Walther vielfach in Douarnenez und sei dort Gast in der Villa eines befreundeten Amerikaners gewesen, wahrscheinlich Gutmann (vgl. Verzeichnis der Gemälde und Bildwerke in der National-Galerie, Berlin 1921, S. 77). Das undatierte Porträt zeigt Gutmann mit charakteristischem Bart, wie er liebevoll und etwas unbeholfen ein Kleinkind in Armen hält, vermutlich die im April 1911 geborene Tochter Elizabeth aus der 1907 geschlossenen Ehe mit Bertha Goldmann. Anderen Bildern ähnlich ist auch dieses innige Familienbildnis farblich stark zurückgenommen. Dunkle, schwarze und helle, weiße bis fleischfarbene Töne sind in breiten, flotten Pinselstrichen auf die Leinwand gebracht. Auf die betonte Farbreduktion, eine koloristische Besonderheit im Werk Linde-Walthers, wurde in der zeitgenössischen Presse verschiedentlich hingewiesen. | Regina Freyberger
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