Der Stifter der Nationalgalerie Joachim Heinrich Wilhelm Wagener sammelte seit den 1840er Jahren verstärkt internationale Kunst. Im Sommer 1852 besuchte er den damals berühmten Schweizer Hochgebirgsmaler Alexandre Calame in Genf und bestellte bei ihm ein Gemälde (Nationalgalerie, Inv.-Nr. W.S. 32). Bis November führte der Künstler den Auftrag aus. Er wiederholte jene Komposition, die er im selben Jahr bereits für den Großherzog von Mecklenburg-Strelitz geschaffen hatte. Am 9. Dezember 1853 berichtete Calame in einem Brief an Wagener die Fertigstellung und schlug den Titel »Vue du Lac des quatre Cantons prise dans les environs de Brunnen« vor (SMB-ZA, IV/NL Wagener, Künstlerbriefe IV, Bl. 239). Zu sehen ist der glatte Spiegel des tiefblauen, von hohen Felsgebirgen umstandenen Vierwaldstätter Sees. Der Blick aus der Gegend bei Brunnen geht über Pinien hinweg über den See mit winzigen einsamen Segeln zum beeindruckend hohen, schneebedeckten, von der Nachmittagssonne beleuchteten Gipfel des Uri Rotstocks, des höchsten Berges der Umgebung des Vierwaldstätter Sees. Bläulicher Dunst steigt von der Wasserfläche empor, darüber wölbt sich ein heller Sommerhimmel. Bei Empfang des Werkes drückte Wagener seine Begeisterung in ungewohnter Ausführlichkeit aus. Niemals, schrieb er am 4. Januar 1854, habe er zuvor den vielbewunderten Darstellungen von Schweizer Landschaften einen Reiz abgewinnen können, erst jetzt seien seine Wünsche erfüllt; er verglich das Bild mit den Meisterwerken von Nicolas Poussin und Claude Lorrain (vgl. SMB-ZA, IV/NL Wagener, Künstlerbriefe).
In seiner Freude über dieses Werk hatte Wagener sogleich ein Pendant bestellt (Nationalgalerie, Inv.-Nr. W.S. 33). Er bat um »ein finsteres Gegenstück, Gewitter, die Wipfel der Fichten und anderer Bäume vom Winde gebeugt, Felsen mit schäumenden Wasserfällen, ein Bild, das einen erschauern lassen soll« (SMB-ZA, IV/NL Wagener, Künstlerbriefe). Überdies wünschte er eine genaue Übereinstimmung der Maße mit denen des ersten Bildes. 1855 erhielt Wagener die Ansicht des im Kanton Bern gelegenen Handeggtals mit der herabstürzenden Aar bei stürmischem Wetter. Vielfach hat Calame solche windgeschüttelten Tannen am Felshang gemalt. Diese Komposition aber beschrieb der erste Biograph des Künstlers Eugène Rambert als eine der konsequentesten: Sie sei »systematisch aufgewühlt« (E. Rambert, Alexandre Calame, Paris 1884, S. 317). | Birgit Verwiebe
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