In einem Brief an Conrad Fiedler vom 27. Juli 1878 erwähnt Marées das »Orangenbild Nr. 2« (J. Meier-Graefe, Hans von Marées, Bd. 3, München 1910, S. 177). Als ›Nr. 1‹ vermutete schon Meier-Graefe das Bild »Die Lebensalter (Orangenbild)« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 768) – das in der Tat zur gleichen Versuchsreihe gehört –, schätzte vorliegendes, kleineres Bild aber deutlich höher ein: »Wo Luft und Licht ist, hat es der Baumeister leicht. Das Zickzack der Pläne […] scheint sich ins Unendliche zu verlieren, und wir denken uns leicht noch hundert Glückliche in diesen fruchtbaren Gefilden dazu« (ebd., Bd. 1, S. 358–359). Diesmal verbinden sich die Figuren unmittelbar mit den Baumstämmen – wie immer sind es die bei Sorrent erlebten zarten Orangenbäume – und integrieren sich mit ihnen, zumindest im Hinblick auf die Raumkonstruktion, bis zur Austauschbarkeit. Die über die ganze Fläche gezogenen Senkrechten geben eine Geometrie vor, die in der Gleichordnung der Fußsohlen aufgenommen wird. Die Entzweiung von Natur und Mensch in der Gesellschaft erscheint aufgehoben im Schwebezustand dieser stillen, farbgesättigten Abenddämmerung. Am 24. Juni 1883 bekannte Marées, er habe das Bild an die achtzigmal »übergangen« (zit. nach: ebd., Bd. 3, S. 177) – ersichtlich immer als ein Ganzes, stets dessen Zusammenschluß im Blick. Unschwer erkennt man das Übereinanderliegen schleieriger, transparenter Farbaufträge, die – aus unauslotbarer Tiefe aufglühend, in der Spannung zwischen Grün und Braun, Blau und einem kostbaren Lachsrosa – jeden Ton mehrdeutig werden lassen, und deren oberste Farbschicht noch improvisatorisch flüssig aufgetragen ist, als müsse sie nicht die letzte sein. | Claude Keisch
de