Es sei »eine Arbeit, deren treffliche Malerei mit ihrer kraftvollen, ruhigen Sicherheit und dem satten und feinem Email ihrer Farben auch bei ihrem ersten Erscheinen schon alle Verständigen hinriß«, berichtete Fritz von Ostini 1906. »Und wie lange ist dies Bild unverkauft in der Welt herumgefahren, trotzdem es, wie man meinen möchte, gegenständlich so klar und packend ist! Aber der rotbärtige Doktor, der den Jungen auskultiert, ist ja nicht ›schön‹, und die müde und abgesorgte Frau auf dem Sopha, die so resigniert auf den Wahrspruch des Arztes wartet, ist es trotz der Feinheit ihrer Züge für die meisten Leute auch nicht!« (Die Kunst für Alle, 21. Jg., 1906, H. 10, S. 223).
1886 hatte Hugo von Habermann das mit zahlreichen Skizzen und Fotografien sorgfältig vorbereitete Bild erstmals auf der Jubiläumsausstellung der Berliner Akademie präsentiert. Inhaltlich folgt es der Tendenz zu naturalistischer Milieuschilderung, die um 1880 als lebensnahe Alternative zur dominierenden Salonkunst aufkam. Nur ein Jahr später, 1887, zeigte Max Liebermann auf der Internationalen Ausstellung im Münchner Glaspalast das deutlich herbere Werk »Flachsscheuer« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 431). Im Vergleich zu diesem wirkt Habermanns »Ein Sorgenkind« erzählender, auch gefälliger. So ist die dargestellte Szene nicht dem Alltagsleben der Bauern und Arbeiter entnommen, sondern dem des Großbürgertums – und damit dem Milieu des Publikums. Zudem ist der malerische Vortrag glatter.
Einen Käufer konnte Habermann dennoch nicht gewinnen. Es bedurfte der Fürsprache Max Liebermanns, der sich 1898, im Jahr der Gründung der Berliner Secession, bei Hugo von Tschudi für die Erwerbung einsetzte – sicher auch ein kunstpolitischer Schachzug Liebermanns, war Hugo von Habermann doch Präsident der 1892 ins Leben gerufenen Münchner Secession (vgl. die Schreiben Liebermanns an Tschudi und Habermann, in: Max Liebermann, Briefe, Bd. 2, Baden-Baden 2012, S. 229, 249, 250 und 255). | Regina Freyberger
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