Mehrere Male, namentlich in einer erhaltenen großen Zeichnung von 1894 (Kupferstichkabinett, Berlin), hat Menzel sich dem eigenen nackten Fuß wie einem Modell zugewandt. Das kleine Bild vermittelt die Spontaneität des Einfalls, die Situation eines Bettlägerigen, der die bannende Kraft eines vertrauten und doch unheimlichen Stücks seiner selbst erlebt. Der Fuß, ein für gewöhnlich verachteter Körperteil, wird mit heiligem Ernst bis in die Verästelungen seiner Äderchen, bis zu den Glanzlichtern auf den Zehennägeln beobachtet. Zusammenhanglos, fragmenthaft isoliert, mit dem grotesk dem Betrachter entgegengestreckten großen Zeh ähnelt er, auch in der künstlichen Ausleuchtung, den Lebendabgüssen der »Atelierwand« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 904). In seiner ikonenhaften Frontalität ruft er Bilder vom Leichnam Christi in Erinnerung. Bilder dieser Art sind im späteren 19. Jahrhundert Manifeste des Realismus. Menzel läßt die traditionelle Rangordnung der Motive nicht gelten und wertet ›niedere‹ Gegenstände durch Isolierung auf. Dem Blick auf seinen nackten Fuß verleiht er ähnliche Würde und Individualität verleiht wie später van Gogh einem abgetragenen Schuh oder einem schlichten Stuhl. Er beobachtet das unruhige Changieren der Farbe unter der dünnen, faltigen Haut, die Adern, die Rötungen. Das sonst immer im Paar wahrgenommene Motiv muß, so vereinzelt und in feierlicher Frontalität, verstörend fragmentarisch wirken. – Schon aus den frühen fünfziger Jahren überliefert Menzels Schüler Carl Johann Arnold, wie sein Lehrmeister, »als er ein Fußbad nehmen wollte, eine lebensgroße Studie nach seinem Fuß malte und darüber den eigentlichen Zweck ganz vergaß« (zit. nach: Erinnerungen an Adolph Menzel, Leipzig 1992, S. 127–147). Das Interesse für den Gegenstand blieb lebendig, und noch 1894 zeichnete Menzel in großem Format sein halbentblößtes rechtes Bein (Kupferstichkabinett, Berlin, SZ Menzel Nr 245). | Claude Keisch
Erworben durch die Freunde der Nationalgalerie
en