Im Februar 1886 veranstaltete Prinz Anton von Radziwill (1833–1904) im nahe bei Minsk gelegenen Njaswisch, das nach der zweiten Teilung Polens 1793 zu Rußland gehörte, zu Ehren von Prinz Wilhelm von Preußen, dem späteren Kaiser Wilhelm II., eine Bärenjagd. 23 Tiere hatte man in den fürstlichen Forsten zum Erlegen freigegeben; Prinz Wilhelm schoß vier davon. Die Jagd dauerte fünf Tage, »erforderte 150 fürstliche Jäger, täglich über 1.500 Bauern zur Treibwehr, 2 Landräte (Isprawniks), 5 Bezirkspolizisten u.s.w. Ein Elchhirsch, 1.200 Pfund schwer, wurde von der Dienerschaft in 1½ Tagen aufgegessen, die Unmasse anderen Fleisches nicht gerechnet« (Am Hofe Kaiser Wilhelm II., Berlin 1898, S. 308). Der in der Nähe von Lemberg geborene Maler Julian Fałat, damals zu Besuch beim Fürsten Radziwill, begleitete die Jagdgesellschaft und hielt das Geschehen in einer Reihe von Aquarellen fest, die Prinz Wilhelm so gut gefielen, daß er Fałat an den Berliner Hof und danach mehrfach nach Hubertusstock einlud. Winterliche Jagdszenen wurden zu Fałats Spezialgebiet und noch Jahre später verarbeitete er in dem Bild »Vor der Bärenjagd in Rußland« die Erlebnisse von 1886. Nach eigener Aussage ist jener Moment festgehalten, in dem an die fünfhundert Bauern unter Anleitung der Förster des Fürsten Radziwill das Waldstück, in dem sich der Bär befindet, vollständig umzingeln (vgl. den Brief vom 19.11.1893, SMB-ZA, I/NG 1534, Journal-Nr. 1893/766).
In panoramaartig breitem Längsformat hat Fałat diese russischen Treiber in der schneeumhüllten Landschaft eingefangen. Hartes Winterlicht liegt auf den Gesichtern und der detailreich gegebenen Kleidung der vorderen Personen. Gleich einer geschwungenen, sich nach oben verjüngenden Linie zieht sich die Gruppe der Treiber über die Schneefläche bis zu dem am Horizont in blassen Blau- und Brauntönen angedeuteten Forst; sie gliedert die großen Farbflächen von milchigblau und gelblich getöntem Himmel und der darunter liegenden winterweißen Ebene mit ihren graubläulichen Schatten. | Regina Freyberger
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