Unter den vier großen Triptychen in symbolischem Rahmenwerk, an denen Marées in den achtziger Jahren zu gleicher Zeit malte, findet man nur einmal einen christlichen Stoff – genauer: Heiligenlegenden. »Die drei Reiter« (1885–1887, Neue Pinakothek, München) zeigen mit den Heiligen Martin, Hubertus und Georg – dem Barmherzigen, dem Gläubigen, dem Kämpfer – drei Formen der Tugend. Das Bild der Nationalgalerie ist – wie im Falle des Bildes »Die beiden Männer« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 1024/13) – der einzig erhaltene (rechte) Flügel einer ersten Fassung (die anderen Tafeln verschollen). Der römische Soldat Georg befreite der Legende nach durch seinen Drachenkampf eine Stadt, deren Einwohner sich zum Dank taufen ließen.
Kannte Marées das frappierend ähnliche Triptychon von Giulio Romano mit drei römischen Berittenen (»Trois soldats romains à cheval«, Musée des Beaux-Arts, Marseille)? Erinnerte er sich an die zeichnerisch erstarrten Pferde in Paolo Uccellos Schlachtenbildern? Das letztere darf man bezweifeln, denn die Steifheit seines Pferdes dient den Forderungen der Komposition. Zwischen Feierlichkeit und entfesselter Leidenschaft changieren die vielen Zeichnungen mit Reitern, von denen einige den Karton »Der Sieger« (Staatliche Graphische Sammlung, München) vorbereiten sollten. Von dem kleinen und im Bildschatten verborgenen Drachen geht Dramatik nicht aus. Die Großartigkeit ergibt sich nicht aus dem Vorgang selbst, sondern aus der Gewalt, mit der die Doppelfigur aus Pferd und Reiter, entgegen ihrer organischen Dialektik, in eine Formeinheit gepreßt ist. Wenn Marées seinen Schülern gegenüber dieses Bild als ›Schaukelpferd‹ bezeichnete, meinte er gewiß die abstrakte Dynamik dieser Diagonalen: Die extrem gestraffte Figur des Ritters führt mit ihrer Fortsetzung, der Lanze, durch die gesamte Bildfläche und kreuzt die Rücken- und Bauchlinien des Tieres, dessen Hals und Kruppe ihr aber wieder folgen. Keine Senkrechte, aber waagerechte Marken in gleichen Abständen oben, in der Mitte und unten. Diese Geometrie aber ist nur das Muster, das in nächtlichem Raum das Weißgrau des Schimmels, das dunkelbraune, lebhaft reflektierende Eisen des Panzers, das matte Rot des Mantels und das leuchtende Blau des Helmbuschs zusammenhält. Ein im Sturm verwehendes Glasfenster! Der Rüstung geben Spuren von Unterlegung mit Gold zusätzliches Feuer. Die Radikalität der Komposition wurde einige Jahre später in der zweiten Bildfassung gemildert (Neue Pinakothek, München): Pferd und Reiter vollführen gegenläufig gebrochene, dramatische Bewegungen. Der fanalartige Einsatz der Farbe aber wurde noch gesteigert. | Claude Keisch
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