Erst spät porträtierte sich Liebermann in der Rolle des Künstlers. Er malte sich mit Pinsel und Palette in der Hand, im Malerkittel oder auch im Anzug. Einfühlsam beschrieb der Freund Karl Scheffler dieses Bildnis: »Es unterscheidet sich stark von den Selbstbildnissen der Vorjahre. Hinter der Gestalt ist, was auf Liebermanns Selbstbildnissen sehr selten, wenn nicht gar einzig ist, ein Stück des Atelierraums in einem merkwürdigen Hell-Dunkel gemalt, so daß sich der Kopf hell beleuchtet vom Hintergrund absetzt. Der Auffassung fehlt alles Herausfordernde, sie ist ganz vergeistigt und versonnen, das Leben leuchtet wie von innen heraus. Und die Technik entspricht mit jedem Pinselstrich dieser stillen Beseeltheit« (Kunst und Künstler, 23. Jg., 1925, H. 10, S. 380).
Seit 1920 war Liebermann Akademiepräsident, kurze Zeit später entbrannte, wie zu Kaisers Zeiten unter Anton von Werner, ein Streit mit der Nationalgalerie um die Einflußnahme der Akademie auf deren Ankaufs- und Ausstellungstätigkeit. Zwischen Akademie und Nationalgalerie vermittelte Kultusminister Becker – der, wie Justi in seinen Memoiren ausführt, »Liebermann für den größten deutschen Maler hielt« – und dessen Referent Waetzoldt. »Waetzoldt sagte mir, das Ministerium könne ein Selbstbildnis Liebermanns kaufen, das auf der Akademieausstellung hing – die Liebermann-Presse verglich es mit Rembrandt –, wenn ich es für die National-Galerie haben wolle. Ich lehnte ab. Trotzdem kaufte es das Ministerium (aus einem Fonds zur Unterstützung von Künstlern) für 15 000 Mark! und überwies es der National-Galerie« (L. Justi, Werden, Wirken, Wissen, Berlin 2000, Bd. I, S. 409).
Das von Justi im Ärger abgelehnte Bild würdigte Rave aus dem Abstand der Jahre: »Die geistvollen, skeptischen, dabei lebensbejahenden Züge des Künstlers sind allgemein vertraut. Das Bildnis in der National-Galerie, 1925 gemalt, also vom 78-jährigen, gehört zu den besten und zeigt den gealterten Mann, doch überlegenen Akademie-Präsidenten und ironisch-kritischen Geist, der in tausend Witzworten weiterlebt« (P. O. Rave, Deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts, Berlin 1949, S. 330). | Angelika Wesenberg
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