Der in Schlesien geborene Wasner erlangte als Maler von Landschaften seiner Heimat, darunter auch das Riesengebirge, überregionale Bekanntheit. Nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule in Breslau von 1905 bis 1908 ermöglichten ihm Stipendien verschiedene Reisen durch Europa. Besonders die Beschäftigung mit niederländischen Künstlern wie Frans Hals (1582/1583–1666) beeinflusste seine weitere Entwicklung zu einem gefragten Porträtmaler. 1915 gründete er seine eigene Malschule in Breslau. Mit dem Gemälde „Meine Mutter“ hat Wasner ein sehr intimes Bildnis geschaffen. Vor dunklem Hintergrund erscheint das mütterliche Antlitz in altmeisterlicher Manier, beleuchtet durch den warmen Lichtschein einer Kerze oder eines Kaminfeuers. Die Gesichtszüge sind mit allen Schattierungen und Falten detailliert ausformuliert, die Bekleidung ist bis zum Brustansatz mit groben Pinselstrichen nur angedeutet. Der Blick der Frau wirkt versunken, fast abwesend. Kopfhaltung und Bildausschnitt der Dargestellten erinnern an herkömmliche Porträtbüsten berühmter Persönlichkeiten zur Ehrung oder zum Gedenken an die Verstorbenen. Mithilfe dieses virtuosen Rückgriffs auf tradierte Bildmuster ist Wasner eine ganz persönliche Erinnerung an seine Mutter gelungen. Auf der Rückseite der Leinwand steht „unverkäuflich“. Dass das Werk dennoch 1954 in die Nationalgalerie (Ost) gelangte, ist den chaotischen Zeitumständen nach dem Zweiten Weltkrieg geschuldet: den ungeklärten Verhältnissen nach Enteignungen, Grenzverschiebungen und Fluchten, ungewissen behördlichen Zuständigkeiten und schließlich der freundschaftlichen Schenkung durch die Volksrepublik Polen. | Janet Röder
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