1926 richtete die Nationalgalerie eine Gedächtnisausstellung für den ein Jahr zuvor verstorbenen Maler Lovis Corinth (1858–1925) aus. Sie zeigte dort auch eine Porträtbüste Corinths von Leschnitzer. Der aus Oberschlesien stammende Bildhauer hatte in Karlsruhe, München und Berlin studiert. Seit 1907 beteiligte er sich an Ausstellungen der Berliner und der Freien Secession. 1918 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Novembergruppe, bevor er sich 1921 von der freien Kunst verabschiedete und nur noch als Architekt und Bauplastiker tätig war. Leschnitzers Skulpturen aus den 1910er-Jahren folgen einer zumeist expressiv-geometrischen Formensprache, die jedoch in den meisten seiner Porträts stark zurückgenommen ist. Viele von ihnen lehnen sich einem klassischen bildhauerischen Vokabular an. Hierzu zählt die Büste von Corinth, der der Kunstkritiker Paul Fechter in ihrem einfachen Ausdruck und unkomplizierten Streben eine sachlich-überzeugende Gestaltung attestierte (vgl. Paul Fechter, Georg Leschnitzer, in: Die Kunst für Alle, 34. Jg. [1919], H. 19/20, S. 362). Nachdem in der Corinth-Ausstellung eine Leihgabe der Büste aus dem Besitz von Charlotte Berend-Corinth, der Witwe des Porträtierten, zu sehen gewesen war, ließ die Nationalgalerie mit Erlaubnis des Künstlers bei der Bildgießerei Noack ein Exemplar für den eigenen Bestand anfertigen. Dagegen erhob die Galerie Fritz Gurlitt Einspruch, die seit 1917 die Rechte an der Büste innehatte. Da der Auftrag an Noack nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, sah sich die Nationalgalerie gezwungen, zudem den besagten Guss aus der Galerie Gurlitt zu erwerben (B III 215), um deren Verkaufsrechte zu befriedigen (vgl. SMB-ZA, I/NG 341, Bl. 75 ff.). | Maike Steinkamp
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