Erhaben und würdevoll scheint sich der „Große Schreitende“ auf ein Ziel zuzubewegen und strahlt dabei eine innere Ruhe aus. Die Maße sind mächtig: Mehr als zwei Meter misst die Bronze, doch sie wirkt nicht klobig. Im Entstehungsjahr präsentierte sie der Bildhauer auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“. Das Publikum war hingerissen. Die zeitgenössische Kritik lobte die Ganzheitlichkeit der Figur, deren vollkommene Erscheinung nicht nur einzelne Passagen, sondern den gesamten Körper auszeichne, und sprach von großer Kunst. De Fiori müsse den Vergleich mit Auguste Rodin nicht scheuen, mit dem „Großen Schreitenden“ übertreffe er dessen Gehfiguren sogar, so begeistert war der Kunsthistoriker Wilken von Alten, dass er Parallelen zur Antike zog: „Voll höchster Aktivität und individuellsten Lebens“ sei das Werk, dem man erlauben würde, es „auf schöngeformter Hügelkuppe unter die blaue Wölbung hellenistischen Himmels zu stellen“ (Wilken von Alten, Ernesto de Fiori, in: Der Cicerone, 15. Jg. [1923], H. 1, S. 20). Das erste Werkverzeichnis zu de Fiori listet 1926 drei Exemplare des „Großen Schreitenden“ auf (WVZ Diehl 1926, 23). Der Abguss der Nationalgalerie stammt aus dem Besitz des Pieskower Regierungsrates Staub, in dessen Garten die Skulptur von 1926 bis 1949 stand. Wie sein kleinerer Kompagnon, der „Schreitende“ (B 35), wurde auch diese Gehfigur von Direktor Adolf Jannasch für die West-Berliner „Galerie des 20. Jahrhunderts“ angekauft. | Sven Haase
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