Der polnische Künstler Strzemiński und seine Frau, die Bildhauerin Katarzyna Kobro, hatten um 1928 die Theorie des Unismus entwickelt, die sich an mathematischen Kategorien wie Maß, Fläche und Proportion sowie deren Verhältnis zum Raum orientiert. Die danach entstandenen Kunstwerke folgten einer den Bildern innewohnenden organischen Einheit, die sich völlig autonom gegenüber außerkünstlerischen Begebenheiten verhalten sollte. Für Strzemiński war ein Kunstwerk kein Zeichen von etwas, sondern es existiert nur durch sich selbst, wie er schon 1924 erklärte (zit. in: Władysław Strzemiński. 1893–1952, Ausst.-Kat., Bonn, 1994, S. 24). Linien und Farben stehen dabei – ebenso wie zum Bildträger – in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander. Auch die „Unistische Komposition“ von 1932 folgt diesen Prämissen. Sie ist in einem monochromen Grün gehalten, das ein pastos aufgetragenes, amorphes Liniengeflecht ausfüllt, welches den Bildraum wie einen in sich geschlossenen Organismus belebt. Trotz oder gerade wegen seiner Selbstreferenzialität hatte das unistische Bild für Strzemiński auch eine gesellschaftliche Bedeutung: In seiner Homogenität spiegelte sich darin für ihn die gesellschaftliche Utopie einer einheitlichen Organisation der Gesellschaft. Indem das unistische Bild nicht Abbild, sondern nur „es selbst“ war, konnte es dem aktuellen Zustand der Gesellschaft vorausgreifen und so Bauplan und Modell für eine bessere Welt sein. Die kleinformatige Komposition der Nationalgalerie stammt aus dem Familienbesitz des polnischen, seit 1976 in (West-)Berlin lebenden Bildhauers Karol Broniatowski. | Maike Steinkamp
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