Die bewegte Oberflächenstruktur, in der die Arbeitsspuren des Modellierens als künstlerisches Mittel gezielt einsetzt wurden, bildet einen belebenden Kontrast zu der ansonsten ruhigen, durch die leicht gesenkte Haltung in sich gekehrt wirkenden jungen Frau. Sanft gewellte, das ovale Gesicht rahmende Haare verleihen dem nicht näher zu identifizierenden „Mädchenkopf“ individuelle Züge – ohne den idealisierten Eindruck stiller Introvertiertheit aufzugeben: „Es ist für Wencks Bildnisse bezeichnend, daß die Umsetzung in plastische Form nicht die Individualität der Objekte vergewaltigt. In dem Mädchenkopf von 1911 […] ist eine Psyche ganz andrer Art – und eine keineswegs undifferenzierte – mit […] Eindringlichkeit erfaßt“ (August Grisebach, Bemerkungen zu plastischen Arbeiten von Ernst Wenck, in: Die Kunst für Alle, 31. Jg. [1915/1916], H. 9/10, S. 187). Unverkennbar sind dabei Wencks Studium des Naturvorbilds und das intensive Ringen, eine eigene materialgerechte plastische Form zu finden, die sein Werk deutlich von dem seines einstigen Lehrers Fritz Schaper absetzt: „Meine Arbeiten sind aus Freude am Gestalten entstanden. Ich habe unvoreingenommen und intensiv die Natur studiert und den Weg gesucht“, so Wenck in seinem 1920 veröffentlichten künstlerischen Selbstbekenntnis (Ernst Wenck, in: Die Kunst für Alle, 36. Jg. [1920/1921], Dezember, S. 71). | Yvette Deseyve
de