Als Höhepunkte seines Spätwerks schuf Hiroshige eine Folge von drei monumentalen Landschaftspanoramen, die als Triptychen gestaltet sind. Das Thema "Schnee, Mond, Kirschblüte" (setsugekka) ist bereits in der chinesischen Kunst bekannt gewesen und spielt auf eine Gedichtzeile des berühmten Tang-zeitlichen Dichters Bo Juyi (772-846) an: "Bei Schnee, Mond und Kirschblüten denke ich an Euch". Im vorliegenden Triptychon mit der Nachtansicht der berühmten Gegend um Kanazawa hat Hiroshige den Mond motivisch umgesetzt. Entsprechend sind die beiden anderen Triptychen der Folge auf die Visualisierung von Kirschblüten und Schnee fokussiert. Bei der Nachtansicht folgt Hiroshige einem traditionellen Bildthema, den "Acht Ansichten". Ursprünglich eine chinesische Bildkonvention wurden die "Acht Ansichten von Xiao und Xiang" (shôshô hakkei) seit der Muromachi-Zeit auch in der japanischen Kunst rezipiert. 1677 wurden erstmals die "Acht berühmten Stätten von Kanazawa" in der Provinz Musashi zusammengestellt. Im Gegensatz zum Kiso-Triptychon erschließt sich die Nachtansicht bei Kanazawa mit einem Blick. Es wird deutlich, das Hiroshige sich intensiv mit westlichen Raumdarstellungen beschäftigt hat. Die nächtliche Küste öffnet sich mit weitem Horizont in die Ferne. Kiefern säumen das Ufer und eine breite Landzunge in der Bildmitte. Dort ragt ein massiver Felsbrocken aus dem Meer und lenkt das Auge des Betrachters auf die dahinter liegenden Inseln bis zur die gesamte Bildbreite einnehmenden, sanft konturierten Bergkette am Horizont. Mit wenigen meisterhaft gesetzten, gegenläufigen Bildelementen wird die horizontale Ausrichtung des Bildes in Spannung gehalten. Die Aufwärtsbewegung der Landzunge wird von der KLarheit des Vollmondes akzentuiert, und die Zickzackstaffel eines Vogelzuges gibt die Blickrichtung zur diagonal verlaufenden Küstenlinie am rechten Bildrand vor. Bereits in früheren Landschaftsserien wie den "Acht Ansichten von Ômi", die der Künstler bald nach seiner um 1833 entsandenen hochberühmten Folge der "53 Stationen der Tôkaidô" begann, offenbaren sich Hiroshiges unverwechselbare Stilmerkmale. Seine delikate Farbgebung, die Verwendung fließender Farbschattierungen (fukibokashi) verbunden mit dem Druck konturloser Flächen schaffen Landschaften mit starker malerischer Ausdruckskraft. Mit diesen Landschaften nach der Natur im Stimmungsgehalt der Tages- und Jahreszeiten entfernt sich Hiroshige von den spektakulären, dramatischen Landschaftsentwürfen des anderen herausragenden Holzschnittkünstlers im 19. Jahrhundert, Katsushika Hokusai (1760-1849). Das Setsugekka-Motiv erfreute sich bis ins späte 19. Jahrhundert hinein großer Beliebtheit in der japanischen Kunst.
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