Das Gießgefäß besteht aus einem Vogelkörper mit gekröntem Frauenkopf. Es ruht vorn auf gestreckten Beinen mit mächtigen Klauen und hinten auf dem abwärts gebogenen Flügelpaar. Am Kronreif sitzt das kurze Ausgussrohr, die Eingussöffnung für das Wasser befindet sich im Scheitel des Hauptes. Der zugehörige Klappdeckel ist nicht mehr erhalten. Als Handhabe beim Gießen dient der bis an den Hinterkopf nach vorn gebogene Schwanz. Gefieder, Haare und Kronreif sind durch Gravuren und Punzen gestaltet. Das Gefäß zeichnet sich durch eine straff proportionierte seitliche Ansicht aus, während es frontal weniger ausgewogen erscheint. Es ist daher vermutet worden, dass die Komposition auf einer zeichnerischen Vorlage beruht. Außer diesem Exemplar ist kein weiteres Aquamanile in Gestalt einer Sirene, dem mythologischen Mischwesen aus Frau und Vogel, bekannt. Es wurde vermutet, dass seine Gestalt einen gelehrten Bezug auf die Anfangsverse der Ars poetica des Horaz (65–8 v. Chr.) darstellt, in denen ein ähnliches Mischwesen beschrieben wird.
Das Sirenen-Aquamanile ist im engeren Umkreis oder innerhalb der Werkstatt des um 1226 geschaffenen Bronzetaufbeckens des Hildesheimer Domes entstanden. Auch hier erscheint an der Öse am Kesselrand die Figur einer in Gestalt und Ausführung verwandten Sirene mit geflochtenen Zöpfen. Der Kopftypus findet sich außerdem an den Figuren der Kardinaltugenden oberhalb der Trägerfiguren des Hildesheimer Taufbeckens. Dem Berliner Gießgefäß vergleichbar ist auch ein Hildesheimer Kentauren-Aquamanile im Metropolitan Museum of Art in New York, das die gleiche Bildung des Gesichts mit übergroßen Augen und schmalem Mund sowie eine ähnlich gestaltete Krone aufweist. LL
Entstehungsort stilistisch: Hildesheim
Historischer Standort: bis 1885 Herford, St. Johanniskirche
Historischer Standort: bis 1414 Enger, Stiftskirche St. Dionysius
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