Unter einer schlichten Kirschbaumplatte hat der Wandtisch ein reich geschnitztes Gestell mit weit ausschwingenden schlanken Beinen. Der kraftvolle und eng geführte Schwung der über Eck gestellten Beine nimmt seinen Anfang in der tief gekehlten und an der Unterkante ausgeschweiften Zarge. Die Schnitzerei zeigt mit Blütenranken geziertes Akanthusblattwerk, das Zarge, Beine und Füße schmückt.
Auf der Unterseite des Zargenkastens ist ein ovaler Brandstempel „Brüderhaus Neuwied“ zu lesen. Diese Einrichtung der Herrnhuter Gemeine bestand seit 1758 und diente jährlich 50 bis 100 unverheirateten „Brüdern“ als Wohnhaus sowie als Erziehungs- und Arbeitstätte. Nachdem die Tischlerei des Brüderhauses mit Bautischlerarbeiten begonnen hatte, bemühte sich Abraham Roentgen im Mai 1762 um eine Übereinkunft, wonach er der Brüderschaft das Feld der Bautischlerei vollkommen überlassen wollte, wenn dort im Gegenzug „keine Capinetmacherey weder groß noch klein under waß vor einem schein es auch seyn möchte“ getrieben würde. Offenbar trat die Werkstatt des Brüderhauses inzwischen als Konkurrenz auf und schmückte sich dabei mit Arbeiten der Roentgenwerkstatt. So hatte Abraham Roentgen der Gemeine 1758 einen Posten Möbel verkauft, um mit den Einnahmen von 105 Talern (knapp 160 Gulden) Schulden bei der Gemeine zu begleichen. Der Tisch gehörte vermutlich zu einer solchen Lieferung, die dann offenbar mit dem Stempel der Brüdergemeine versehen unter deren Namen auf den Markt gebracht wurde. Zwei ähnliche „Consol-Tische von Nussbaum Holz mit Bildhauer Arbeit“ erwarb 1756 einer der frühen verbrieften Kunden Abrahams, der Vater des Dichterfürsten Joh. Wolfgang von Goethe, für nahezu 21 Gulden: ein Betrag, für den bei Abraham ein Geselle mehr als eineinhalb Monate in Arbeit stand.
ASt
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