Auf einem ovalen, mit grasartigen Schraffuren versehenen Sockel und faltenreich drapiertem Laken liegt ein nackter kleiner Junge schräg auf dem Rücken, den Kopf auf ein hohes Kissen gebettet, der linke Arm ist etwas abgewinkelt, das linke Bein leicht eingeknickt. Der Mund des Kindes ist geöffnet, das dicke Bäuchlein hängt schlaff zur Seite, der Kopf ist auf die Brust gesunken. Im Innern des Sockels ist eine Signatur und Datierung eingeritzt: "J.P.Melchior me fecit - 1782". Im Bestand des Kunstgewerbemuseums befindet sich das Gegenstück, der "Ruhende Knabe" (Inv. Nr. 1914,53), zudem einige weitere Tonmodelle von Johann Peter Melchior.
J.P. Melchior war ein Bildhauer, der auch als Porzellanmodelleur tätig war. Begonnen hatte er seine Karriere 1765 bei der Höchster Porzellanmanufaktur, wo er von 1766/67 bis 1779 die Position des Modellmeisters innehatte. 1770 wurde er zum Hofbildhauer des Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim (1707–1774) ernannt. Von 1779 bis 1793 war er Modellmeister an der Frankenthaler und von 1797 bis 1822 an der Nymphenburger Porzellanmanufaktur; an beiden Stationen führte er auch den Titel des Hofbildhauers. Seine Spezialität waren Kinderdarstellungen in natürlichen Posen, mit denen er sich in die Tradition des französischen Bildhauers François Duquesnoy (1597-1643) stellte. Modelle wie die der beiden Knaben könnte der ehrgeizige Künstler zur Auftragsakquise verwendet haben. Die Motivik beschäftigte Melchior nicht nur im Bereich der Porzellanplastik, sondern auch bei Kleinplastiken aus Alabaster oder großformatigen Marmorskulpturen für Epitaphien.
Die beiden Knabenfiguren finden keine direkten Übertragungen in Höchster oder Frankenthaler Porzellan. Es gibt aber Varianten des Motivs, darunter auch in einer Ausformung der Höchster Manufaktur im Bestand des Kunstgewerbemuseums (Inv. Nr. DM 42). Von der Beliebtheit der Melchior´schen Bildschöpfung zeugen Nachbildungen des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel eine um 1860 entstandene Nachbildung aus Hartgips (?) von Johann Nepomuk Hautmann, ebenfalls in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums (Inv. Nr. HM 8870).
Lit.: Claudia Kanowski: "Fragen an ein Kunstwerk" - eine Fortsetzung aus keramischer Sicht, in: Kunst, Gewerbe, Museum. Festschrift für Barbara. Beiträge des Colloquiums zu Ehren von Barbara Mundt, Berlin 2017, S. 98-100, Abb. S. 99; Claudia Kanowski:Tönerne Welten. Figürliche Keramik aus sechs Jahrhunderten. Eine Bestandsaufnahme im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin, Sonderdruck aus: Keramos (2015/I), Heft 227, S. 30-31, mit Abb.
ClKa
Entstehungsort stilistisch: Mitteldeutschland
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