Einzelbeobachtungen, zusammengestellt zu einem Todes-Bild. Jeder graphisch denkende Künstler muß den menschlichen Schädel als reizvolles Sujet ansehen wegen der Vielfalt der Formen: große, glatte Rundungen hell im Licht, schattende Öffnungen daneben, gereihte kleine Akzente, vor und zurück, von allen Seiten anders. Hinzu kommt, für jeden Menschen anrührend, daß dies das Gehäuse jenes Organs ist, welches den Menschen über alle anderen Wesen erhebt, durch das Philosophie, Kunst und Gottsuche auf Erden sind. Schließlich meint die Ansammlung der Köpfe: woran siehst man, ob ein ehemaliger König oder Bettler, ein glücklich Liebender oder Selbstmörder vor Dir liegt? (s. die Aufschrift im 2. Zustand, zu deutsch: »Der Tod macht alles gleich«). Das Bewußtsein der Vergänglichkeit müßte uns Ruhe und Schlaf rauben - aber sieh, das Kind schläft, unbeschwert von der Nachbarschaft der Sanduhr. Aber »Es sei denn, daß ihr euch umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen« (Matth. 18,3). Das törichte Kind kann also ein Vorbild sein; denn Nachdenklichkeit, die allzu heftige Angst vor dem Tod zur Folge hat, ist unfromm. Auch die Zeit »ist ein Geschöpf des Herrn«. Das graphische Werk Barthel Behams ist bedeutend kleiner als das seines Bruders Sebald, an Formvollendung ihm eher überlegen.
Text: Hans Mielke in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 123, Kat. III.45 (mit weiterer Literatur)
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