Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker. Zweiter Theil, Erste Abtheilung, S. 5, 8-10:
"In Betreff der Verhältnisse der einzelnen Constructions-Stücke und ihrer Gliederung, so wie der Anordnung des Verschlusses, wird nun auf die Betrachtung der dargestellten Beispiele von Prachtthüren hingewiesen, welche an musterhaften Monumenten des Alterthums uns übrig geblieben sind. Die eingeschriebenen Zahlen geben die Maaße der Wirklichkeit in Preußischen Fußen, Zollen und Linien an. [...] Blatt 6. Die Thür der viersäuligen Portika am Erechtheion zu Athen. In der Einleitung zur ersten Abteilung im ersten Theile dieses Werks wurde über den dreifachen Tempel des Erechtheions der Minerva Polias und der Pandrosa bereits berichtet, und auf den Blättern 2b und 4 derselben Abtheilung die äußere Architectur der genannten Vorhalle gegeben, an deren Rückwand die prachtvolle Marmorthür sich befindet, welche auf unserm Blatte mit allen Einzelheiten dargestellt wird. Der Aufriß in der Mitte zeigt zu oberst die durchschnittenen Deckenbalken der Halle, sie liegen auf dem Architrav, welcher hier auf der Mauerbekrönung ruht, die von der Fortsetzung der Antenkapitäle gebildet wird; unter dieser Mauerbekrönung laufen zwei der Quaderschichten ununterbrochen über den Thürkranz hinweg. Bei unserm griechischen Beispiele erhält durch diesen Umstand die Thür ein anderes Verhältnis zur Säulenstellung, als wir es bei den Beispielen römischer Architektur finden, wo der Thürkranz oben mit den Kapitälen der Säulen in gleicher Höhe liegt, in welchem Falle aber die Thür ein überwiegend großes Verhältnis gegen die Portika erhält. Der Sturz besteht aus einem Steinblock, an welchem nicht nur der Architrav und Fries mit dem bekrönenden Tierstabe, sondern auch noch, ungewöhnlicherweise, die Kranzleisten gearbeitet sind, wie dies der Durchschnitt rechter Hand zeigt. Zu beiden Seiten des Sturzes sind die Anconen (Consolen) angebracht, welche blos das oberste bekrönende Glied, die Sima, einen Rinnleisten, zu tragen haben, statt dass sie sonst in der Regel das dominirende Glied des Kranzgesimses, den Kranzleisten, unterstützen. Diese kräftigen Anconen sind durch reichen Schmuck geziert, und in voller Harmonie mit den schönen Säulenkapitälen der Portika. Die Blätter unter denselben sind jetzt unkenntlich geworden. Von blühender Erfindung ist das Anthemion (Blumen-Verzierung) des schön profilierten Rinnleistens, der jedoch sowohl seiner Form als auch mächtigen Verhältnisse nach mehr an eine Wasserrinne erinnert, als an eine bloß leicht gegliederte Bekrönung, wie eine solche der etwas schwachen Kranzleisten nicht bedarf, da wo das ganze Kranzgesimse sich schon unter Dach und Decke befindet. Die griechische Kunst war hier nicht zu ängstlich; die schön verzierte Wasserrinne gab ein so vollendetes architectonisches Kunstprodukt, daß man sich nicht scheute, es an geeignetem Orte als Krönungsgesims zu gebrauchen, weil, wie in diesem Falle, sein Reichtum mit dem des übrigen Gebäudes harmonisch übereinstimmte. Der mit der Thüreinfassung umherlaufende Rosettenfries macht eine ungemein reiche Wirkung; er tritt in zwei Absätzen so weit über die Mauer vor, als die Einfassung, mit der er aus einem Stück gearbeitet ist. Zur Zeit der Wiederauffindung dieser interessanten Thür durch den englischen Architecten Donaldson konnten die Gewände nicht bis zur Schwelle vom Schutt befreit werden; der untere Theil derselben ist daher nach Analogie der damals gemessenen Theile ergänzt worden."
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